Donnerwetter, denken wir, mit dem ist auf unserem Kiezspaziergang bestimmt richtig was los und erwarten Szene, Drinks oder angesagte Plattenläden. Umso überraschender, wo der DJ Sascha Braemer uns treffen möchte: in Berlins Südosten, irgendwo zwischen Grünaus Regattastrecke und dem Müggelsee. Auf dem Weg zum Interview am Dahmeufer kommen wir erst an Plattenbauten vorbei, dann gibt es nur noch schmucke Einfamilienhäuser in Ufernähe. „Das hier, da rechnet doch keiner mit, wenn er nach Berlin kommt!“, sagt Sascha Braemer und deutet in Richtung Wasser und Wald. „Aber mit den Mieten haben sie hier ’nen richtigen Knall!“ Vor allem der Sauerstoff sei es, der ihn hier draußen hält. Und wir vermuten, auch die vielen Enten haben es ihm angetan, die grüßt der Musiker nämlich wie alte Kumpel. „Dieses Feeling hast du nur hier. Oder halt an einem anderen See, aber hier besonders. Hier fährt ja nicht mal ein Auto!“, schwärmt Braemer. Und Recht hat er.
Vom BSR-Leibchen ans Mischpult
Unseren ersten Halt machen wir auf einer Bank am Langen See. Mit Blick auf die Regattastrecke erzählt Braemer davon, wie er als Abteilungsleiter in einer Autofirma vor 15 Jahren mit der Musik angefangen hat. In den 90ern war er einer der wenigen hundert Revolutionäre, die auf der Loveparade durch Berlin ravten und sich mit Gasmasken und BSR-Jacken in Ekstase tanzten. Den Ursprung des Hypes um das, was heute alle Electro nennen, sieht Braemer in dieser Zeit. Irgendwann legte er selbst auf, war aber erst zufrieden, als er sein Talent nutzen und selbst Platten produzieren konnte. „Mädchenmusik“, wie er sie nennt. Weil „ist doch schön, wenn 70 Prozent Mädels vor dir stehen!“
Ein merkwürdiges Szenario ist das, wie vor uns die Sonnenstrahlen auf der Dahme tanzen während Sascha von seinem Leben abseits dieses Ruhepols erzählt. „Die letzten drei Jahre sind so schnell vergangen, das war wie ein Rausch. Und plötzlich wachst du auf und denkst: ‚Oh Mensch, ich bin ja Vater'“, gesteht der DJ. „No Home“ beschreibt seine vielen Reisen: Es geht ums Abheben, Abdriften und Ankommen, um Flugangst, kalte Duschen nach zu wenig Schlaf und die Geburt seiner Tochter. Und weil Braemer die halbe Woche für Gigs in der Welt herumtourt, braucht er in Berlin keine Party mehr. Trotzdem hat er seine Favoriten in Berlins Clubszene: Das Watergate, mit seinem fetten Sound oben und dem geilen Blick auf dem unteren Floor oder das Sisyphos, erst recht wenn der Garten voller Menschen ist. Und auch der Kater gehöre nach wie vor dazu.
„Wenn halbe Ente, dann nur da!“
Wenn ihn nicht der Bass zum Schwitzen bringt, lässt der Musiker sich von einem Personal Trainer durch Köpenick treiben oder fährt mit dem Fahrrad durch den Wald. Heute spaziert er entspannt mit uns die Strecke entlang, für die man mit dem Rad eine Stunde braucht. Schnell wird klar, dass Braemer zu einem Thema viel zu sagen hat: „Essen ist mit das Wichtigste überhaupt!“ In seinem Heimatbezirk Alt-Treptow gönnt sich der Gourmet Burger oder ein Steak im White Trash. Für einen Besuch bei seinem Lieblings-Thai fährt er sogar bis zum Araya Thai am Kürfürstendamm. „Der macht nicht auf Schickimicki und Euroasia, sondern ist einfach authentisch und gut“. Für ein Rührei-Frühstück in Köpenick könne er die Seeterrassen empfehlen, für ein Schnitzel mit Spargel legt der Hobbymatrose auf einer Bootstour zum kleinen Müggelsee manchmal an der Weißen Villa in Friedrichshagen an. Und ab und an sei auch der Ratskeller in Köpenicks Altstadt ein Muss: „Wenn Ratskeller, dann halbe Ente. Und wenn halbe Ente, dann nur da!“
Die schöne Ruhe Köpenicks
Nach ein paar Kindheitserinnerungen machen wir uns wieder auf den Weg in die Zivilisation und quatschen bei einem letzten Blick auf das im Sommer meist überfüllte Seebad Wendenschloss über Berlins Türpolitik, falsche Vorurteile in der Großstadt und die eine oder andere Überheblichkeit in Szenebezirken wie Friedrichshain und Prenzlberg. „Ich bin so froh, dass ich hier bin, wo es sowas nicht gibt!“, sagt Braemer dann. Das glauben wir dem sympathischen DJ aufs Wort und freuen uns, dass er am Ende doch ein Zuhause gefunden hat.