Demografie-Spaziergang

Wer wohnt eigentlich in Alt-Pankow?

Der Florakiez steht für das wieder aufgeblühte wohnliche Pankow.
Der Florakiez steht für das wieder aufgeblühte wohnliche Pankow.
Besondere Stadtführungen zum Thema "Vom Leben in der Stadt" bietet die Herbert Quandt Stiftung im Rahmen der Berliner Stiftungswoche an. Gemeinsam mit den zwei Historikerinnen Arja Jacob und Caroline Marburger soll erkundet werden, wer in den einzelnen Stadtteilen wohnt, wie das Zusammenleben funktioniert und welche Herausforderungen sich stellen.

„In keinem anderen Bezirk kann man sehen, wie sich Berlin gerade seit der Wende drastisch verändert hat“, beginnt Arja Jacob am Bahnhof Wollankstraße ihre Führung. Wo früher verrottete Bauleichen standen und Lücken zwischen den Gebäuden klafften, wohnen heute Familien oder SeniorInnen gemeinsam in den modernisierten schönen Altbauwohnungen. Alt-Pankow erstrahlt wieder in seinem alten Glanz eines ruhigen grünen Ausflugortes.

Auf unserem Spaziergang schauen wir uns Straßenzüge an, besuchen das Stadtteilzentrum und gehen natürlich in den Bürgerpark Pankow. Im Hintergrund stehen immer die Fragen: Wer wohnt hier, wer hat hier mal gewohnt und wie lebt es sich so in Pankow? Allein das 1903 errichtete Rathaus mit seiner hohen und reich verzierten Backsteinfassade lässt schon erahnen, dass wir uns in einem traditionell eher wohlhabenden Bezirk befinden. Auch heute wohnen hier wieder eher gut situierte Leute.

Der Aufwand hat sich gelohnt

Den Bezirk wieder auf Vordermann zu bringen hat allerdings ganz schön Arbeit gekostet. In der DDR wurden die Altbauten, die den Krieg meist gut überstanden hatten, ziemlich vernachlässigt. Nach der Wende befand sich hier mit 80 Prozent baufälliger Häuser das stadtgrößte Sanierungsgebiet – das heißt, es wurde ziemlich laut. Die Historikerin und Stadtführerin Arja Jacob weiß das aus erster Hand: Sie selbst ist  vor einigen Jahren aus ihrer Wohnung in der Wollankstraße ausgezogen, weil der Baulärm einfach nicht mehr auszuhalten war.

Damit war sie nicht die einzige. Zahlreiche PankowerInnen suchten sich während der Neunziger eine ruhigere Wohnung in anderen Gebieten – sobald die Sanierungen vollendet waren, kehrten jedoch einige zurück und mit ihnen kamen zusätzliche Neu-PankowerInnen. Jacob ist allerdings in ihrem neuen Wohnort Schöneberg geblieben – „Weil ich keine Kinder hab´“, denn ohne diese fühle man sich hier schon ein bisschen fehl am Platz.

Tatsächlich ziehen immer mehr Familien in die Pankower Kieze. „Auch wenn das erste Kind noch in Prenzlauer Berg geboren wurde, für das zweite Kind suchen sich viele junge Eltern dann eine Bleibe in Pankow“, erzählt Jacob. Hier ist es schließlich sehr viel ruhiger und auch merklich grüner. Zum Beispiel im zwölf Hektar großen Bürgerpark Pankow. Den betreten wir um etwa 12 Uhr mittags. Noch ist die große Fläche leer, nur vereinzelt sitzen Eltern mit ihren Kleinkindern auf einer Decke. Zum Nachmittag hin wird sie sich schnell füllen. Vor allem im Sommer ist die Wiese so voll von Familien mit spielenden Kindern, dass der Geräuschpegel fast schon das Dröhnen der hier schon sehr tief fliegenden Flugzeuge übertönt.

Ein harmonisches Nebeneinander von Jung und Alt

Hinter dem an die große Wiese angrenzenden Café und Biergarten Rosenstein ist es auf den Bänken im Rosengarten an der Panke sehr viel ruhiger – ein beliebter Sonnenplatz der SeniorInnen im Kiez. Damit steht der Park musterhaft für die Demografie in dem Nord-Berliner Bezirk: eine starke und stetig steigende Präsenz von Familien und kleinen Kindern – aber die SeniorInnen machen es sich hier auch immer noch gemütlich.

Für diese zwei Zielgruppen, Familien und SeniorInnen hat der Bezirk seine Infrastruktur verbessert – heute gibt es nicht nur viel mehr Kindergärten, sondern auch zahlreiche Stätten für seniorengerechtes Wohnen rund um den Bürgerpark. Diese zwei dominierenden Bevölkerungsgruppen machen sich auch an den Geschäften in den Pankower Straßen bemerkbar. Vor allem in der Florastraße, wo nach der Wende erst so gut wie nichts los war, dann gebaut wurde und nun immer mehr Cafés und interessante Läden aufmachen. Viele davon sind speziell auf Kinder ausgerichtet und zwischendrin werden orthopädische Schuhe verkauft.

Wer Ausgehmeilen und hippe Bars sucht, wo sich die Mittzwanziger und Mittdreißiger nachts treffen, der ist im benachbarten Prenzlauer Berg besser aufgehoben. Pankow war dafür noch nie bekannt. In der DDR wohnten im Ortsteil Niederschönhausen zahlreiche Mitglieder der politischen Elite im Majakowski-Ring, darunter auch Walter Ulbricht und Erich Honecker. Da waren junge Leute mit ihren vielleicht unangenehmen Fragen eher unerwünscht.

Aber auch schon vorher ging es hier eher ruhig zu. Bis zur Eingliederung in Berlin im Jahr 1920 grenzte sich die Dorfgemeinschaft mit ihren überwiegend gut situierten BürgerInnen von dem aufbrausenden und geschäftigen Berlin ab. Auf Postkarten wurde Pankow als „der gesündeste Vorort Berlins“ beworben. Hier gab es keine Industrie, dafür noch viel gute Luft und Natur, die an den Wochenenden ein beliebtes Ziel der GroßstädterInnen war. Auch Arja Jacob kommt noch gern in ihren alten Bezirk, „es ist ein bisschen wie Ferien machen“.

In drei weiteren Spaziergängen geht es nächste Woche zum Thema „Migration und Integration“ durch Friedrichshain-Kreuzberg, zu „Stadtentwicklung und Wohnen“ nach Neukölln und in Reinickendorf steht die Führung unter der Überschrift „Soziales“. Die Teilnahme ist kostenlos, aber um Anmeldung wird gebeten. Mehr Infos gibt es hier hier.

Bürgerpark Pankow, Wilhelm-Kuhr-Straße 9, 13187 Berlin

Für Erfrischung an besonders heißen Tagen sorgt der Brunnen im Bürgerpark in Pankow.

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