Dunkel. Nur flimmernde Fussel tanzen im Strahl des Projektors. Das ist der Moment, in dem die Verträumten tiefer in ihre Sessel rutschen, weil gleich etwas kommt, auf das sie warten, ohne zu wissen, was es ist. Der Moment, bei dem Karlheinz Opitz’ blaue Augen größer werden, wenn er davon erzählt. So wie die des kleinen Totò in Giuseppe Tornatores „Cinema Paradiso“, dem Film, der Opitz immer wieder darin bestätigt, das Richtige zu tun: Ein Kino zu führen. Und, als könnte dieser Mut vergehen, hat er das Plakat zum Film in sein Büro gehängt.
Wenn der Scheinwerfer angeht, starrt Totò in einem italienischen Dorfkino in den Rachen eines Löwenkopfes, in dem sich der Strahl zu einem blendenden Punkt zusammenzieht, und rennt aus dem Saal. Er läuft die Stufen hoch, sieht, wie der alte Alfredo den Film einlegt und beobachtet die Silhouetten der Gäste durch ein kleines Rechteck in der Wand.
„Dirty Dancing“ hat er dreizehn Mal gesehen
Auch der heute 48-jährige Opitz ist in die Kabuffs vieler Kinos geklettert, hat Filme eingelegt und gekurbelt. Auch Opitz war ein Junge vom Dorf. Wie jeder Jugendliche ging er gerne ins Kino. „Dirty Dancing“ hat er dreizehn Mal gesehen, weil er selber tanzte – Goldstar, ein bisschen Turniertanz – und verknallt war in Jennifer Grey.
Berlin hatte Opitz auf einer Klassenfahrt in seinen Bann gezogen. In der Schule ein Spätzünder, beim Bund ausgemustert, ging der ausgebildete Handelsassistent zum Studieren in die Hauptstadt. Er brauchte einen Job, fragte Leute, die Flyer am Ku’damm verteilten, nach Arbeit. Die schickten ihn ins Kino. Im Gloria-Palast riss er Karten ab und wies den Gästen ihren Platz an. Er schmiss das Studium und lernte mit der Zeit, wie man Filmrollen wechselt, klebt und den Projektor zum Laufen bringt. Fasziniert und nie zufrieden, merkte sich Opitz das Beste von seinen Lehrern, lernte das „Handbuch für den Filmvorführer“ auswendig und wurde darin „1A“, wie er sagt.
„Die hab ich geliebt“
Opitz arbeitete in Off-Kinos, in denen der Name „Filmkunst“ noch Programm war. Mit einem Pass konnten Mitarbeiter die Vorstellungen von etwa vierzig Kinos umsonst besuchen. Opitz’ tiefe Stimme ist lebhaft, wenn er von damals spricht: „Diese Zeit, die Vorwendezeit, in der ich die Spätvorstellungen wahrgenommen habe …“ – er blickt zum Eingang, als sehe er nicht die Tür, sondern eine Dia-Show von früher, und erzählt von den Gesprächen mit der Süßwarenfrau mit langen grauen Haaren, am Tresen im Filmkunst 66: „Die hab ich geliebt.“ So wie er es liebte, nachts um eins oder halb zwei aus dem Kino in die Dunkelheit zu kommen, den Nachtbus nach Hause zu nehmen. Das war für ihn Freiheit.
Seit zehn Jahren betreibt Karlheinz Opitz nun die Eva-Lichtspiele in Wilmersdorf. Ein Kindheitstraum war es nicht. Opitz macht Kino, weil es ihm Spaß macht und weil er seine eigenen Filme zeigen will. Er liebt die schönen, persönlichen Geschichten. Kleine Perlen. Die zeigte er früher im Freilichtkino auf dem Wagenplatz an der Lohmühle. Heute ist Opitz Realist, er kennt sein Publikum, das älter und belesen ist. Das Sahnehäubchen für einige Stammgäste: alte deutsche Filme, jeden Mittwoch. Echtfilm von der Rolle. Da trinken die, die das Kino noch fast von 1913 kennen, Kaffee und erinnern sich an ihre Jugend.
Aber Off-Kinos sind keine Szene mehr. Sie sind Schmuckstücke, die untereinander konkurrieren. Nur einen Saal zu haben, bedeutet, weniger Filme für kürzere Zeit zu spielen. Kassenschlager bekommt Opitz so nicht, die verlangen eine Mindestlaufzeit über mehrere Wochen. Opitz klagt trotzdem nicht. Seit fünf Jahren geht es bei ihm bergauf. Er hat auf Digital umgestellt, die Leinwand erneuert und freut sich an dem eigenen Kosmos seines Kiez-Kinos. Hier kann er seine Gäste „betüddeln“, wie er sagt. Für Kinder gibt es Gummiwürmer und rote Zuckererdbeeren für fünfzig oder dreißig Cent, im Saal läuft Swing, und wer die steile Eisentreppe zum türkisfarbenen Vorführraum erklimmt, der fühlt sich wie Totò.
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