Es war einmal ein kleines Mädchen, das verlief sich im Wald. Es geriet immer tiefer ins Dickicht und lief so lange, bis es plötztlich ein wundersames Häuschen sah. Das war aus Kuchen und Keksen und Schokolade gemacht. Das kleine Mädchen lief weiter, fand irgendwann ein Taxi und fuhr nach Hause. Und wurde nicht von der bösen Hexe aufgegessen.
Ende.
Das wäre meine Hänsel und Gretel Version, denn erstens habe ich keinen Bruder, und zweitens mag ich keine Süßigkeiten. Was mich nicht zu einem gesunden Menschen macht. Gib mir einen Burger, nimm den Salat runter und pack einen Streifen Bacon dazu, und ich bin im Himmel.
Wenn man sich allerdings mit einer anderen, sehr adeligen Märchenfigur zum Nachmittagskaffee verabredet, dann kann man ruhig mal eine Ausnahme machen. Ich stiefele wie der Kater des edlen Herrn Carrabas zum „Café Kredenz“ in der Kantstrasse nach Charlottenburg.
Echter als ein Graf
Seine Geschichte hat der Graf in einem Buch zusammengefasst: „Werden Sie doch einfach Graf“ – vor einigen Jahren schon veröffentlicht und bis heute in den Bestsellerlisten. Dauerbrenner. Seit er Graf ist, nehmen ihn die Menschen anders wahr. Er wird bevorzugt behandelt, seine Kunst verkauft sich besser, man ist freundlicher. Oft wird er eingeladen. Er ist kein Hochstapler. Er erzählt offen und ehrlich, dass sein Leben mit dem unechten Namen schöner geworden ist. Mach doch einfach. Seine Devise. Und dabei ist er immer freundlich und niemals zynisch oder bösartig. Edel, ein bisschen. Er hätte auch Ritter Lo sein können. Ich mag, dass der Graf mein Freund ist. Er ist wohlerzogen, klug und witzig, und vor allem ist er wie ein Kind. Er freut sich, wenn jemand um ein Autogramm bittet, strahlt, wenn jemand ein Foto mit ihm möchte und ist dabei immer sehr dankbar. Und er passt in diese Stadt, die so sein lässt, wie man sein möchte. Natürlich wohnt er in der Nähe des Schloss Charlottenburg. Und im Park des Schlosses sieht man ihn oft flanieren und die Natur fotografieren.
Torte aus Stettin
Wir schwatzen und ich bestelle ein Stück Torte mit Baiser und Datteln. Ach, manchmal kann ich so gut verstehen, warum Menschen gerne Süßes essen. Es ist ein bisschen wie in Wolken beißen. Die Torten kommen aus Stettin, werden jeden Tag frisch geliefert. Dacquoise Baiser Torte mit Datteln und Walnüssen. Ich werde den Namen vergessen, aber nicht, wo ich diese Torte bekomme, wenn ich irgendwann dringend eine brauche. Ist die gut! Der Graf isst sein Stück Torte langsam und genüsslich und setzt vorher eine winzig kleine Figur mit einem noch winzigkleineren Presslufthammer in den Händen auf das Stück, das er fotografiert. Es sieht aus, als hätte der Minimann aus dem Kuchen ein Stück herausgebrochen. Das ist eins der Markenzeichen des Grafen. Überall in der Stadt sitzen diese kleinen wunderbaren Figürchen auf Brücken und Bänken. Er klebt sie auf und lässt sie ihre eigenen Geschichten erleben.
Der Graf steigt zum Abschied auf sein Fahrrad und winkt mir zu. Ein Nachmittag wie aus einer anderen Zeit. Irgendwie entschleunigt. Und irgendwie mag ich jetzt auch leider Torte.