Das Geschenk, das einem diese Stadt macht, ist, dass sie einem die Ruhe gibt, die man möchte – wenn man sie möchte. Es zieht mich nach Dahlem, in ein neues chinesisches Restaurant, das „Miss Wu“, das ganz hervorragend sein soll. Chinesisch essen waren meine Eltern und ich früher relativ oft. Auf der Karte gefühlt 600 Gerichte, viel Glutamat, im Hintergrund nette leise Fahrstuhlmusik mit viel „pling-pling“ dabei, alles sehr dunkel, Kitschlampen überall. Das hat auch seinen Charme, ist aber eben auch sehr „achtziger“. Im „Miss Wu“ ist wirklich alles komplett anders. Kein Glutamat, alles wird frisch zubereitet, das Restaurant ist hell und sparsam eingerichtet. Chinesische Hausmannskost soll es geben. Klingt doch spannend!
Ich befinde mich in der gefühlt ruhigsten Straße der Stadt. „Im Gehege“ klingt schon so nach Hase und Fuchs, die sich gute Nacht sagen. Das Restaurant ist von der Königin-Luise-Straße nicht wirklich gut zu sehen, wahrscheinlich muss man das hier wirklich kennen oder empfohlen bekommen, um herzufinden. Ich setze mich mit meiner Freundin Anika auf die Terrasse, es ist relativ leer an diesem Nachmittag. Mir tut es schon fast leid, weil ich denke, dass dieses Restaurant einer dieser vergessenen, kleinen Läden ist, die mit viel Liebe, aber wenig Kundschaft so vor sich hinvegetieren.
Durch die Karte geschlemmt
Als Hauptgericht bestelle ich gebackenes Huhn mit Knoblauch und karamellisierten Walnüssen. Wirklich eine gute Wahl! Anika möchte „Mu Xu“ ausprobieren (Muschuh gesprochen), und ich bin sehr gespannt – Mu Xu ist immer, wirklich immer das, was in den US-Serien gegessen wird, wenn die coolen Menschen abends im Wohnzimmer vor ihren chinesischen Pappkistchen auf der Couch zusammensitzen und ihren coolen Tag besprechen. Im Grunde ist das wie die typische Peking-Ente, nur ohne Vorbestellung, für eine Person. Mit den kleinen Crepés, die man sich selbst füllt mit Ente, Karotten, Gurken und einer dunkelbraunen, sehr leckeren Pflaumensauce. Das Ganze wird mit den Fingern gegessen und macht einfach viel Spaß. Essen selber basteln. Für meinen Freund zu Hause nehme ich meine Reste mit plus einer Portion chinesischer Rippchen (die er inhaliert!) und wir trinken noch einen klassischen, viel zu süßen Pflaumenwein, der aber eben dazugehört.