Seit der Jahrtausendwende bietet der Treffpunkt Strohhalm in der Wilhelminenhofstraße alten Menschen, Wohnungslosen oder Suchtkranken aus dem Oberschöneweider Kiez Hilfe in allen Lebenslagen. Die soziale Begegnungsstätte unterhält unter anderem eine Küche, in der täglich für einen Euro warme Gerichte ausgeteilt werden, eine Kleiderkammer, einen Computerraum und ein sozialtherapeutisches Wohnprojekt für suchtkranke Männer, das „Haus Strohhalm“. Auch Rechts- und Schuldnerberatung, Spielerunden, gemeinsame Ausflüge und (alkoholfreie) Festivitäten stehen auf dem Programm der Einrichtung, die unter der Trägerschaft der „Stiftung Sozialpädagogisches Institut – Walter May“ (Stiftung SPI) steht.
„Bei uns findet man immer jemanden zum Quatschen“, so Helmut Nicol, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Hauses. „Für sozial schwache Menschen aus dem Quartier sind wir, abgesehen vom ‚Haus Schöneweide‘, einem weiteren Wohnheim für Suchtkranke, derzeit die einzige Anlaufstelle rund um die Wilhelminenhofstraße.“ Wie wichtig der „Stohhalm“ für die Menschen aus den umliegenden Straßen ist, merkt man nicht nur am Gedränge zwischen Küche, Bücherzimmer und Aufenthaltsraum, sondern auch an den Zahlen: „Kamen anfangs nur ungefähr sechs Leute zum regelmäßigen Kaffeeklatsch, sind es heute um die 20“, freut sich Nicol.
Untergebracht sind Treffpunkt und Haus Strohhalm in einem denkmalgeschützten Gebäude vis-à-vis der Hochschule für Technik und Wirschaft (HTW). Während auf der gegenüberliegenden Straßenseite motivierte Studenten zur Vorlesung eilen und hochmoderne Gebäude vom Aufschwung Oberschöneweides zeugen, ist im Gebäude selbst vom Wandel wenig zu spüren. Nicht mehr ganz junge Männer und Frauen in abgetragenen Kleidungsstücken gehen im Treffpunkt Stohhalm ein und aus, freuen sich über eine warme Mittagsmahlzeit und nutzen die Gelegenheit, im gemütlichen Speiseraum ein wenig miteinander zu plaudern. Per Pinnwand-Zettelchen werden Helfer für einen anstehenden Umzug gesucht und in der Küche arbeiten Hilfskräfte, die über jeden zusätzlichen Euro und eine sinnvolle Tätigkeit froh sind. Darüber hinaus ist man im Haus auf Mundpropaganda und Nachbarschaftshilfe – wie sie etwa eine ältere Dame betreibt, die regelmäßig in ihrem Block für die Kleiderkammer sammelt – angewiesen und die Regale im Spielzimmer stammen, wie viele Einrichtungsgegenstände im „Strohhalm“, von einem Online-Auktionshaus.
„Hier bei uns spürt man ganz deutlich, dass in Oberschöneweide derzeit das Neue neben dem Alten herlebt. Vom Aufschwung bekommen wir nur insofern etwas mit, als dass immer mal wieder Studenten oder Zugezogene vorbeischauen und sich für die Arbeit im Haus interessieren oder fragen, ob sie alte Bücher vorbeibringen können“, berichtet Nicol. Probleme wie Sucht im Alter, Armut oder Einsamkeit seien dagegen genauso drängend wie noch vor zehn Jahren. „Schade ist es allerdings, wenn in einem ’schickeren‘ Kiez Missstände, wie etwa die Trinker am Rathenauplatz, negativ auf uns zurückfallen – obwohl wir gerade denen ja eine Alternative aufzeigen wollen“, so Nicol. Für die Zukunft erhofft er sich, dass nicht nur die kulturelle und wohnliche Lebensqualität sondern auch das soziale Netz in Oberschöneweide ausgebaut wird.