Von den Weiden neigen Zweige ins Wasser, Ausflugsdampfer schippern über den Kanal und das Wetter macht deutlich, dass der Sommer nun endgültig vorbei ist: Es ist grau und nieselt, als wir uns mit dem Rapper PTK am Landwehrkanal treffen. Geboren im Urban Krankenhaus, aufgewachsen in 36 und schließlich nach 61 gezogen – PTK ist Kreuzberger durch und durch.
„Ich verbringe 80 Prozent meines Alltags in Kreuzberg“, erzählt PTK, während wir am Ufer entlanglaufen, wo er als Jugendlicher einen Großteil seiner Freizeit verbracht hat. Mittlerweile ist es ihm hier aber zu überlaufen. Gerade im Sommer sind die Plätze auf der grünen Uferwiese bei Touristen und Berlinern heiß begehrt. Letztes Jahr stand hier ein Bürgerentscheid über eine Neugestaltung des Fraenkelufers an. Er scheiterte, weil die Wahlbeteiligung zu niedrig war. „Jetzt soll hier die Uferpromenade weiter bebaut werden. Das wird den Touri-Strom auch nicht aufhalten“, sagt PTK und schon treffen wir thematisch den Kern seiner Musik.
PTK oder ProtesTmusiK
Auf seinem aktuellen Album Ungerächte Welt, das im Juni 2017 erschien, teilt PTK ordentlich aus: Vermieter, Touristenzuströme, Partykultur, unersättlicher Konsumwahn, soziale Ungerechtigkeiten und weitere Themen, an denen er Anstoß nimmt, stehen im Vordergrund seiner Songs. In die Schublade des politischen Raps will sich der 29-Jährige aber nicht stecken lassen: „Nur weil ich über Gentrifizierung rappe, heißt das nicht, dass ich etwas dran ändern kann.“ PTK spricht die Dinge an, die um ihn herum passieren, zeigt seine Sicht auf Missstände, findet Argumente, die auf Erfahrungen basieren. Und das kommt an: Sein Album erreichte auf Anhieb Platz 20 der deutschen Charts. Doch eine Chartposition oder eine gewisse Anzahl an Likes ist nicht sein Ziel: „Meine Musik ist keinem bestimmten Zweck untergeordnet. Ich will einfach ein Bewusstsein schaffen und freue mich über jeden, dem’s gefällt.“ Wofür die drei Buchstaben ursprünglich stehen, verrät uns PTK allerdings nicht. Genau wie bei KIZ, die er bei ihrer Tour 2015 supportet hat, kamen die passendsten Bedeutungen mit der Zeit: Ob Pöbel tötet König oder ProtesTmusiK – schnell ist klar, was PTK mit seiner Musik ausdrücken will.
Auf dem Weg Richtung Kotti kommen wir auch an der Admiralbrücke vorbei – dem Symbol für die Nutzungskonflikte im Kiez. „Die Brücke steht sinnbildlich für die Ausschlachtung des Hypes um den ganzen Bezirk. Party-Touristen kommen hierhin und denken, sie würden etwas von Berlin sehen. Aber hier tummeln sich doch nur noch Nicht-Berliner,“ erzählt PTK. Man spürt die Wut in seiner Stimme. Doch natürlich ist nicht alles schlecht an der Entwicklung des Kiezes. Mit der Versorgungssituation, was Cafés, Restaurants und Spätis angeht, kann wohl kein anderer Bezirk mithalten: Am Kotti angelangt mischt sich der exotische Geruch von indischem Curry mit dem süßen Duft türkischer Baklava, während sich Dönerbude neben Burgerladen und Cafés reihen.
Auch uns knurrt der Magen, als wir das Lasan betreten. PTK kommt mehrmals die Woche in das orientalische Restaurant, kennt das Personal und wird auch heute freundschaftlich von Kellnerin Tupac begrüßt. „Ich bin viel draußen unterwegs und koche daher selten selber“, gesteht der Rapper und empfiehlt uns die Nummer 43, die er hier immer bestellt: gegrilltes Lammhackfleisch mit Safranreis und Salat, als Vorspeise wird eine Linsensuppe und frisch gebackenes Tandurbrot serviert. Einige Meter vom Lasan entfernt, befindet sich Konak Grill, von dem gesagt wird, sie machen das beste Köfte in Berlin. Ansonsten ist PTK kulinarisch oft auf der Sonnenallee unterwegs, wo er Afrikanisch oder Arabisch essen geht.
„Ich will das Kreuzberg meiner Eltern aus den 80ern zurück.“
Die Gastronomie ist eben genau so international wie der Bezirk selbst. Und genau das liebt PTK so sehr an Kreuzberg. „Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne das hier nicht anders.“ Kreuzberg ist für den Rapper aber auch ein Hort schöpferischer Kreativität. „In anderen Bezirken, sei es Charlottenburg oder Hohenschönhausen, fehlt dieser künstlerische Aspekt.“ Und auf genau diesen kreativen Spirit bezieht sich PTK, wenn er in seinem Song Anti Tourista 2 rappt: „Ich will das Kreuzberg meiner Eltern aus den 80ern zurück.“ Er erklärt: „Ich bin zwar Ende der 80er geboren, aber ich glaube, dass damals der Aktivismus aus der Not heraus viel stärker war. Der erste Mai 87 ist ja so krass eskaliert, weil die Anwohner angefangen haben zu protestieren. Ohne das glorifizieren zu wollen, aber es war einfach echter.“
Not macht eben erfinderisch. Das hat PTK auch an der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße gemerkt. 2013 hat er angefangen mit Flüchtlingen aus der Schule Musik zu machen, woraus die Band Antinational Embassy entstanden ist. Die Band gibt es bis heute, auch wenn vom Ursprungskern nur noch drei Mitglieder dabei sind. „Einige sind verschwunden, wurden abgeschoben oder hatten einfach keine Lust mehr. Dafür sind andere dabei“, erzählt der Musiker, während wir das Lasan wieder verlassen.
Satt und glücklich verschlägt es uns auf einen Absacker ins Café Kotti, das im ersten Stock des Betonmonsters Neues Kreuzberger Zentrum liegt. Neben einer Gruppe türkisch sprechender Männer, junger Studenten, die hinter ihren Mac-Books sitzen und ein paar Zeitungslesern treffen wir im Café Kotti auf Mitglieder eben dieser Band, zu denen wir uns an den Tisch setzen. PTK kam eine Zeit lang fast täglich in das Café, um Leute zu treffen und zu telefonieren. „Das ist quasi mein Büro“, erklärt er uns und bestellt Tee mit frischer Minze. Seinen Feierabend verbringt der Kreuzberger auch gerne mal in Bars wie dem Schurke, oder einfach bei einem Späti: „Alle Spätis die bayrisches Bier verkaufen, bekommen schon mal einen Pluspunkt von mir.“
Die Clubwelt ist für PTK hingegen nichts. So war der Rapper beispielsweise noch nie im Prince Charles, das ja jeder in Kreuzberg kennt. „Feiern ist mir zu oberflächlich. Da geht’s nur um sinnlose Ablenkung vom Alltag, das ist nicht mein Lifestyle.“ PTK ist vielmehr der Meinung, dass dieser Party-Sumpf vielen Menschen in Berlin nicht guttut und sie in bestimmte Richtungen treibt. „Berlin ist für mich schon Babylon, weil viele, ob Berliner oder nicht, hier anfangen schlechte Dinge zu tun.“ Und so lautet auch eine Zeile aus seinem Song Babylon City: „Guck in meiner Stadt gehen die Partys manchmal 72 Stunden/Aber keiner hat für Reue oder Zweifel Zeit gefunden.“
Zwanzig Stimmen und eine Ukulele
Wir schlendern weiter Richtung Görlitzer Park, um die Band Antinational Embassy in ihrer WG zu besuchen. 2013 nahm ihn eine Freundin mit zu der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule: „Mein Plan war es eine Stunde dort zu bleiben. Am Ende des Tages verbrachten wir acht Stunden in der Schule“, erinnert sich PTK, der von den Bandkollegen den Spitznamen „Direktor“ bekommen hat. „Ich mag den Namen eigentlich nicht, weil ich keine Autorität sein will, die über anderen steht. Aber ich bin nun mal derjenige, der professionell Musik macht und sich um den organisatorischen Kram kümmert.“ Neben diversen Auftritten, unter anderem in der Staatsoper, entstand nun auch das erste Album von Antinational Embassy, das man im Onlineshop von BombenProdukt, dem Label, über das auch PTKs Solomusik erscheint, kaufen kann.
„Angefangen hat alles mit einer Ukulele“, erfahren wir von Darlino und Sad C., den Vokalisten der Band, als wir die WG betreten. „Wir waren zwanzig Menschen, die alle auf verschiedenen Sprachen und Dialekten gesungen und gerappt haben und wir hatten nur eben diese Ukulele. Es war das reinste Chaos.“ Mit der Zeit kamen aber auch Schlagzeug, Gitarre, Cajon und diverse andere Instrumente hinzu.
Zum Abschluss unseres Spaziergangs werden wir noch auf ein privates Wohnzimmerkonzert der Band eingeladen. Begeistert von der tanzbaren Feel-Good Musik und den starken politischen Inhalten der Songs kaufen wir uns die CD der Band und bedanken uns bei PTK und Antinational Embassy für den schönen Nachmittag durch Kreuzberg.
Im Rahmen seiner „Ungerächten Welt Tour 2017“ kommt PTK am 8. Oktober 2017 ins Bi Nuu. Du willst dabei sein? Hier bekommst du Karten.