Tim Raue, Marco Müller, Sebastian Frank und andere hauptstädtische Meisterköche müssen sich in Acht nehmen, denn es leuchtet ein neuer Stern am Berliner Himmel und zwar so hell, dass wir alles um uns vergessen. Assaf Granit kocht mit einer sehr persönlich motivierten Leidenschaft für gutes Essen und Familientraditionen, die wir bisher nur bei Dalad Kambhu im Kin Dee erlebt haben. Nun hat der israelische Sternekoch Granit nach Jerusalem, Tel Aviv, London und Paris mit Berta endlich auch ein Lokal in Berlin eröffnet. Und was für eins! Berta ist nicht einfach nur ein Restaurant, es ist ein rauschendes Fest, dem sich niemand in dem großzügigen Raum entziehen kann. Dafür mitverantwortlich ist auch Tomer Lanzman, der als Granits Partner und Gastgeber die wunderbare Atmosphäre schafft, in dem die außergewöhnliche Küche alles bisher Dagewesene übertrumpfen kann.
Hier stimmt jedes Detail: Das moderne Interior des Lokals kombiniert orientalische Einflüsse mit lässigem Loftstyle und gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre. Noch bevor wir ahnen können, wie fantastisch das Essen tatsächlich ist, hat uns Berta schon für sich gewonnen. Die Namensgeberin des Lokals, Granits Großmutter, erhielt einen Ehrenplatz an der Wand gegenüber der offenen Küche. Doch ihr Porträt wirkte so einsam – in einem Raum, der Menschen genussvoll zusammenbringt. Also kamen andere Großmütter hinzu: die Vorfahrinnen sämtlicher Team-Mitglieder*innen. So entstand eine Petersburger Hängung mit Persönlichkeiten, die dir das Herz aufgehen lassen. Die Bilder haben auch eine Wirkung auf das Personal. Jede und jeder hier gibt sein Bestes und dir das Gefühl, ein lieber Gast der Familie zu sein. Dazu spielt abwechslungsreiche Musik – lauter als gewöhnlich in Restaurants, aber genau so, dass sie dich beschwingt.
Nach einem erfrischenden Shot, mit dem der Service gemeinsam mit dir auf den Abend anstößt, und einer Espresso-Tasse Kichererbsen-Suppe, mit der das Küchenteam deinen Gaumen auf die Freuden, die kommen werden, vorbereitet, geht es los. Wir lassen uns gern überzeugen, dass der Abend einen Aperitif verdient und entscheiden uns für einen Metuka, einen weihnachtlichen Cocktail auf Champagner-Basis mit Holunder-Likör, Wodka, Birnensirup, Stern-Anis und Zimt, und einem Merira, der mit Aperol, Gurken infusiertem Wodka, Wermut und mediterranem Tonic den Sommer innerlich aufleben lässt. Ein großartiger Start.
Die Vorspeisen machen das Glück dann perfekt: Kubaneh, ein Schabbat-Brot, das auf der Zunge zergeht, mit einer Aioli aus Meerrettich und Roter Bete, „Plate for the Brave“, die Mutige mit scharfen Pasten belohnt und Chili mit zarten Aromen in Balance bringt, Weißkohl Kugel, die den Kohl in eine süßliche Spezialität verwandelt, die unbeschreiblich viele Feinheiten entfaltet, Babe Polenta, die mit Parmesan, Pilzen und Trüffeln Wohlbehagen auslöst, und Tatare Faust, das seinen Namen der großmütterlichen Faust verdankt, die einst die eigenwillige Form des Zaatar-Reis-Crackers prägte. Schon jetzt gehen uns die Adjektive aus, um die Vielfalt und die zahlreichen Nuancen zu beschreiben, die jede dieser Speisen aufweist. Begleiten lassen wir uns von einem Jacquère-Weißwein mit vollem Körper und spritziger Frische: einem Monfarina der Domaine Giachino.
Es ist kein Wunder, dass Assaf Granit sogar Groupies hat: Liebe geht durch den Magen und Granits Kunst bringt sinnlich selbst die Schmetterlinge im Bauch auf den Geschmack. Wir beobachten begeisterte Damen, die ihn heimlich in der Küche fotografieren, andere bitten sogar um Selfies, um dem smartem Sternekoch nur einen Moment näher zu kommen. Der Küchenchef wird bei seinen kulinarischen Höhenflügen – wie in den anderen Städten – übrigens von Dan Yosha und Uri Navon unterstützt, die an dieser Stelle in jedem Fall auch Erwähnung finden sollen. Weiter geht es für uns mit den Hauptgängen: Schwarzer Bulgur mit Meeresfrüchten und Romanesco-Paprika sowie Meshi Octopus mit Harira und Sellerie-Salsa. Auch bei diesen beiden Gerichten zeigt sich, dass die Pracht sich am besten entfaltet, wenn man alle Komponenten zusammen in den Mund führt: Alles macht Sinn, es gibt keine reine Deko. Mit der israelischen Küche, die wir bisher kannten, haben die kulinarischen Kunstwerke im Berta kaum etwas gemein.
Obwohl wir wunschlos glücklich sind, lassen wir uns überreden, auch den Desserts Platz einzuräumen. Wir bekommen auf einer Etagere alle drei Varianten des Abends geboten: Perurim, eine Mascarpone Creme mit persischer Zitrone und brauner Buttercreme, Safta Lea Kompott mit Äpfeln und Birnen an Thymian Karamell und Koriandersamen-Eiscreme und Pause, ein Schokoladenmousse, zubereitet mit Olivenöl, Salz und Kardamom-Kaffee-Streusel. Auch wenn dieser süße Abschluss ebenfalls unvergleichlich ist, verliebt haben wir uns in die Gänge zuvor. Die Karte wechselt saisonal, es gibt also regelmäßig Neues zu entdecken. Uns fällt es sehr schwer, diesen einzigartigen Ort nach so vielen Geschmackserlebnissen und Herzlichkeit wieder zu verlassen. Wir trösten uns damit, dass das Restaurant nun ein Teil unserer Stadt ist und wir immer wiederkommen können. Das machen übrigens schon viele andere, entsprechend solltest du für deinen Besuch im Berta unbedingt rechtzeitig reservieren.