Wer hinauf zu Megaphon will, in ein Kreuzberger Hinterhofloft nicht weit vom Böcklerpark, kommt an der Empfangsdame Marina Ims, IV. Stock, kaum vorbei. Die stellt im Glaskasten der Etage gewissermaßen Madame Megaphon dar, das Willkommensgesicht der GmbH. Marina Ims sitzt im Rollstuhl. Sie trägt ein Telefonisten-Headset, regelt Besucherandrang, erledigt Buchhaltungsvorarbeiten, pflegt Kontaktdaten ihres Unternehmens und agiert als Gastgeberin, wenn in Räumen rund um ihr Aquarium Vernissagen starten.
Megaphon existiert seit 1997
Andere behinderte Kollegen – mehr als ein Fünftel vom 30 Köpfe-Team des Tonträger-Handels -, sind regulär angestellt. So gibt es einen schwerbehinderten Geschäftsführer mit Diabetes, einen sprachbehinderten Hauptbuchhalter, der hier Lehrling war, und fünf seinerzeit „benachteiligte“ Ex-Azubi, die einen Dauerjob erhielten. Es wird auch mal bei der Wohnungssuche geholfen. Megaphon existiert seit 1997.
Als Sozialstation versteht sich Megaphon nicht
Die Belegschaft trägt alles mit; sicher habe es anfangs auch geknirscht, es falle ja „schon mal ein Handschlag mehr an“. In 100-jährige Fahrstühle wurden Sicherungssysteme mit Innen- und Außenschloss eingebaut, Behinderten-WC installiert und eine barrierefreie Küche, für deren Ausbau Mitarbeiter der VIA Werkstätten, mit Handicaps, eingesetzt waren. VIA-Designer veranstalten auch Ausstellungen bei den Platten-Händlern, treffen sich mit ihnen zum Fußballturnier, angefeuert von Cheerleaderin Ims.
Als Sozialstation versteht sich Megaphon dabei gar nicht, aber ein bisschen stolz ist man doch, in der hippen Berliner Musikbranche, die 1800 Firmen zählt und zuletzt sogar einen Kulturstaatssekretär hervorbrachte, Pionier-Lorbeeren zu ernten.