Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Horst Bosetzkys Wilmersdorfer Geschichte(n)

Autor Horst Bosetzky, weiße Haare, helle offene Jacke, steht vor dem Schaufenster eines Buchladens
Horst Bosetzky vor der Jugendbuchhandlung Siebenpunkt in der Hildegardstraße.
Krimiautor Horst Bosetzky, vielen besser bekannt unter dem Pseudonym -ky, hat mit QIEZ über seine heutige Heimat, den Kiez rund um den Bundesplatz in Wilmersdorf, geplaudert.

„Hier in Wilmersdorf ist das ehemalige Neuköllner Hinterhofkind in einem bürgerlichen Kiez gelandet“, schmunzelt Horst Bosetzky, der seit knapp 20 Jahren im Wilmersdorfer Viertel zwischen Blissestraße und Bundesplatz lebt. Aufgewachsen ist der 1938 geborene Soziologe und Schriftsteller in Neukölln und bis heute bringen ihn viele seiner Leser vor allem mit diesem Stadtteil in Verbindung: Bosetzky, ein ehemaliger Rütli-Schüler, ist Neuköllner Ehrenbürger, in vielen seiner Bücher wird der Bezirk zum Schauplatz der Handlung.

Doch auch ein anderer Teil Berlins spielt in Leben und Werk des Autors eine tragende Rolle: Durch eine Jugendfreundschaft baute Bosetzky bereits früh eine Bindung zum weiter westlich gelegenen Stadtteil Wilmersdorf auf und nachdem er bereits 1973 für einige Jahre am Bundesplatz heimisch war, kehrte der Schriftsteller 1994 endgültig aus der beschaulichen „Zwischenstation“ Frohnau in den zentraler gelegenen Kiez zurück.

Genau die richtige Balance

Heute fühlt sich Bosetzky in seiner neuen alten Heimat gut aufgehoben: „Als Wohnort ist mir Wilmersdorf viel lieber als etwa das idyllische Schmöckwitz, wo ich die Urbanität bereits nach einigen Tagen vermisse.“ Sein Heimat-Kiez zeichne sich vor allem durch eine einzigartige Balance zwischen „Geschäftigkeit und Ruhe“ aus: „Hier in Wilmersdorf herrscht eine gelungene Mischung: Hier ist niemand zu aufgesetzt oder ‚aufgebrezelt‘, es herrscht Leben, aber eben nicht zu viel, und man kennt viele Leute, ohne permanent unter Beobachtung zu stehen“, beschreibt Bosetzky.

Außerdem genieße er die entspannte Atmosphäre der gegenseitigen Toleranz, in der man sich „in keinerlei Weise bedroht“ fühlen müsse. Lediglich die nahe gelegene Stadtautobahn und die Radfahrer, die häufig auf dem Gehweg fahren, können Bosetzky am Bundesplatz manchmal „auf die Nerven gehen“.

In seinem Kiez kennt Bosetzky nach eigenen Angaben „jeden Pflasterstein“ – und doch ist der Autor selbst überrascht, wie viele Orte rund um den Bundesplatz ihm wichtig sind: satte 46. „Ich hätte ich nie erwartet, dass es so viele werden“, staunt Bosetzky. Darunter finden sich neben verschiedenen Lieblings-Bäckereien auch mehrere Zeitungshändler, der Laden Schreibwaren am Bundesplatz und die Jugendbuchhandlung Siebenpunkt in der Hildegardstraße.

Konkurrenz Schlossstraße

Trotz der Fülle an Adressen verzeichnet Bosetzky in seinem Kiez einen gewissen Verlust an Kaufkraft. „Noch kann man nicht von einem ‚Absinken‘ des Quartiers sprechen – doch das die nahegelegene Schlossstraße mit ihren vier Einkaufszentren den Geschäften hier die Kunden wegnimmt, bemerkt man schon.“ Auch empfehlenswerte Restaurants und Cafés sind deshalb dünn gesät. Zu Bosetzkys Lieblingsadressen für einen kleinen Snack oder eine gute Tasse Kaffee gehört das Café Muskat an der Ecke Weimarische / Mainzer Straße. In kultureller Hinsicht empfiehlt der Autor einen Abstecher in die Eva Lichtspiele: „Das kleine Kino wirkt wie aus der Zeit gefallen – hier riecht es sogar ganz alt.“

Ohnehin ist der profunde Berlin-Kenner Bosetzky von der Geschichte der Stadt fasziniert. Das wird nicht nur in seinen historischen Krimis und Romanen deutlich. Auch auf unserem kleinen Spaziergang durch den Bundesplatz-Kiez nimmt der Autor immer wieder auf die Vergangenheit des Quartiers Bezug. So weiß er etwa vom Bau der Ringbahn oder von „Schramms Seebad“ zu berichten, einer Badeanstalt mit Tanzetablissement, in der sich Anfang des Jahrhunderts die „Soldaten und Dienstmädchen“ vergnügten. „Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wurde der Teil des Fennsees, an dem sich das Vergnügungslokal befand, um 1915 zugeschüttet“, erzählt Bosetzky.

Auch über die Entstehung des Vorurteils vom „spießbürgerlichen Wilmersdorf“ weiß der Träger des Bundesverdienstkreuzes bestens Bescheid: „Spätestens seit den ‚Drei Witwen‘, kleingeistigen Figuren aus dem Musical ‚Linie 1‚, ist der Ruf Wilmersdorfs nachhaltig beschädigt.“ Dass diese Vorurteile jedoch nichts mit der Realität zu tun haben, dafür ist Horst Bosetzky das beste Beispiel.

Horst Bosetzkys Wilmersdorfer Geschichte(n), Bundesplatz, 10715 Berlin

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