Storytelling-Event Kumsitz

Grenzerfahrungen im Wasserturm

Tony Andrews mit Dolmetscherin Oya Ataman beim Kumsitz-Abend.
Tony Andrews mit Dolmetscherin Oya Ataman beim Kumsitz-Abend. Zur Foto-Galerie
Bergmannkiez - Außergewöhnliche Menschen aus aller Welt hat der südafrikanische Journalist Tony Andrews zum Thema "Grenzen" interviewt. In einer beeindruckenden One-Man-Show lässt er Zuschauer im Wasserturm an ihren eindrücklichen Schicksalen teilhaben.

Das Storytelling-Event „Kumsitz“ des seit fünf Jahren in Berlin lebenden Journalisten Tony Andrews will eine alte jüdische Tradition wiederbeleben. Im Kern geht es darum, Menschen zusammenzubringen und sich einem bestimmten Thema musikalisch und erzählerisch zu nähern. Zur Premiere wurde am 22. August ins Kulturzentrum Wasserturm geladen, Thema des Abends waren „Grenzen“, politische, körperliche aber auch emotionale. Fünf Geschichten hat Andrews für seine abendliche Performance, einer Mischung aus Journalismus und Theater, zusammengetragen – und was sich zunächst ziemlich abstrakt und etwas leblos anhört, wird durch einen beeindruckenden Bühnen-Monolog zum berührenden Erlebnis.

Ans Herz gehende Geschichten

Großer Andrang unterm Wasserturm.
So stellt Andrews beispielsweise den Bericht von Mark Lukach nach, einem Amerikaner, dessen Jugendliebe an einer schweren bipolaren Störung erkrankt ist. Trotz härtester Psychopharmaka und der hingebungsvollen Pflege ihres Mannes scheint die Geliebte kaum noch aus ihrer Depression gerettet werden zu können. Auf ganz andere Art und Weise aussichtslos ist die Lage für Andreas Lang, den Sohn eines evangelischen Pfarrers, der im kommunistischen Ungarn unter schweren Repressionen zu leiden hat. Schließlich trifft er die Entscheidung zur Flucht und macht sich mit seiner jungen Familie 1986 auf den Weg zur 200 Kilometer entfernten Grenze. Für Lela Finkbeiner ist die größte Grenze dagegen körperlicher Natur. Sie ist taub und berichtet von der seelischen Belastung, als gehörloser Mensch den Ärzten in einem deutschen Krankenhaus im wahrsten Sinne des Wortes „ausgeliefert“ zu sein.

Jede Geschichte, die Andrews auf beeindruckende Weise mit dem Gestus und im Sprachrhythmus des jeweiligen Erzählers wiedergibt, wird von einem kurzen, sachlichen Exkurs zur jeweiligen Problemstellung abgerundet. So erfährt man beispielsweise, dass Ungarn in den 80er Jahren die welthöchste Selbstmordrate verbuchen musste oder dass es an deutschen Krankenhäusern keinen Bereitschaftsdienst für Dolmetscher gibt. Darüber hinaus sorgen wirklich fantastische Musiker mit Gesang, Cello, Schlagzeug, Gitarre und Keyboard sowie thematisch abgestimmten Songs für emotionale Denk-Pausen zwischen den fünf Geschichten des Abends.

Mindestens ebenso erwähnenswert sind die beiden Dolmetscherinnen Oya Ataman und Mira Esther Weischet, die den Monolog des Laien-Schauspielers Andrews für gehörlose Zuschauer in Gebärdensprache übersetzen. Und das so eindringlich, dass man sich als Zuschauer oft nicht entscheiden kann, ob man seinen Blick lieber auf Andrews oder die jeweilige Dolmetscherin lenken soll. Das Ende der Vorstellung markiert dann auch ein kleiner Einführungs-Kurs in die Gebärdensprache. Die dafür notwendige Raum-, Blick- und Mimik-Offenheit stellt einen schönen Kontrast zu den Grenzerfahrungen der vorausgegangenen zwei Stunden dar.

Am 26. August um 20.30 Uhr habt ihr noch einmal die Gelegenheit, beim Storytelling-Event Kumsitz im DTK Wasserturm dabei zu sein. Über weitere anstehende Termine könnt ihr euch hier informieren.

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DTK - Wasserturm Kreuzberg, Kopischstr. 7, 10965 Berlin

Telefon 030 53657641

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Montag und Freitag 13:00 bis 21:00 Uhr
Samstag 15:00 bis 21:00 Uhr
Dienstag bis Donnerstag 13:00 bis 20:00 Uhr

Der Wasserturm in der Kopischstraße.

Der Wasserturm in der Kopischstraße.

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