Wiederverwertung statt Müllberge. Seit zehn Jahren werden beim Projekt Kunst-Stoffe gebrauchte Materialien recycelt, die sonst in der Tonne landen: ausgediente Werbeplanen, alte Steckdosen, gebrauchte Holzlatten. Die Gründerinnen des Projekts, Frauke Hehl, 47, und Corinna Vosse, 48, sammeln solche ausgedienten Materialien in ihrer Zentralstelle für wiederverwendbare Materialien in Pankow. Indem sie den vermeintlichen Müll weitervermitteln, wollen sie eine Kreislaufwirtschaft anstoßen.
Die Idee lernten die Macherinnen in New York kennen
Die Idee der Materialwiederverwendung lernte Corinna Vosse, die eigentlich Soziologin ist, in New York bei Materials for the Arts kennen. Dort lebte sie als darstellende Künstlerin, baute Bühnen, Requisiten, Kostüme. „Ich kenne das Projekt also von der anderen Seite. Die ökologische Bedeutung wurde mir erst später bewusst“, sagt sie. Frauke Hehl, die Architektur und Stadtplanung studiert hat, war schon beim Aufbau mehrerer Gemeinschaftsgärten dabei, kannte das Konzept der Kreislaufführung, wusste: „Die Menschen wollen etwas mit den Händen machen, ein fertiges Ergebnis sehen, als Ausgleich zu ihrem digitalisierten Leben.“ Im Sommer 2005 starteten die beiden mit der Planung, mit Fördermitteln vom Land Berlin eröffneten sie am 27. Mai 2006 das Materiallager direkt beim S-Bahnhof Pankow. Inzwischen gibt es ähnliche Zentren in Basel, Hamburg, Paris und Wien. Sie alle ließen sich von Kunst-Stoffe Berlin inspirieren.
Neben dem Materiallager in Pankow gibt es seit Kurzem eines in Neukölln. Außerdem gehören offene Werkstätten in Pankow und Treptow, Repair-Cafés in Wedding und Kreuzberg, ein Lastenradverleih in Pankow und am Ostkreuz zum Projekt – damit die Kunden ihre Materialien auch ökologisch korrekt transportieren können. Hehl und Vosse wollen gerne noch breiter in der Stadt vertreten sein, noch bekannter werden. Obwohl sie in der Szene schon ein Begriff sind: Die beiden werden als Expertinnen in Sachen Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft für Tagungen angefragt. Auch im Kunst-Stoffe-Projekt ist die Bildungsarbeit ein wichtiger Bestandteil. Da kommen Firmen zum Teamtag oder Kindergartengruppen, um etwas aus gebrauchten Materialien zu basteln. Auch Ausbildungsklassen sind regelmäßig bei Kunst-Stoffe zu Besuch. Hier wollen die Gründerinnen vor allem das Bewusstsein schaffen, dass es kein Geld braucht, um nachhaltig und ökologisch zu leben: „Nicht die Geldfrage ist entscheidend, sondern die Haltung“, sagt Vosse.
Bitte kein Dogma
Das Materiallager Pankow findest du in der Berliner Straße 17. Mehr Infos unter: www.kunst-stoffe-berlin.de.