Viele junge Familien ziehen ins nördliche Pankow, um dem Trubel der Großstadt zu entkommen und in Ruhe, natürlich schön grün, zu wohnen. Wie ironisch, dass ausgerechnet der Bezirk offenbar von Dauer-Lärm geplagt wird: Pankow ist laut einer Umfrage der Berliner Umweltverwaltung der lauteste Ort in Berlin. Flugzeuge, Straßenverkehr, Bauarbeiten und Sirenen belästigen die Anwohner jeden Tag.
Von 25. April bis 23. Mai diesen Jahres hatten Berliner die Gelegenheit, der Umweltverwaltung mitzuteilen, in welchen Stadtteilen es ihnen zu laut war. Die Ergebnisse: Pankow steht ganz oben auf der Liste. In der Friedrich-Engels-Straße im Norden Pankows ist der Geräuschpegel demnach am schlimmsten, gefolgt von der Zossener Straße im Bergmannkiez. Auf Platz drei liegt die Kastanienallee in Rosenthal.
Der Hauptgrund für die Ruhestörung in Pankow ist der Studie zufolge das ständige Kommen und Gehen der Flugzeuge, denn die Flugroute zum Flughafen Tegel liegt direkt über dem Bezirk. Demzufolge sind die Reinickendorfer natürlich mindestens genauso vom Fluglärm betroffen.
Aber ist der Lärm überhaupt störend für die Bewohner Pankows? Wir waren im Kiez unterwegs, um einigen Leuten aus der Nachbarschaft genau diese Frage zu stellen.
Echt nervig
Für einige Pankower ist der Lärm absolut nicht auszuhalten, obwohl mittlerweile etliche Lärmschutzwände errichtet wurden.
„Bei mir zu Hause sind die Flugzeuge so nah, dass ich fast die Nummer auf dem Bauch des Flugzeuges lesen kann,“ erklärt Tonino Raneri, der im Stiftsweg wohnt und einen Spielwaren- und Kindermode-Shop auf der Florastraße besitzt. „Von daher ist das Gedröhn der Motoren echt störend.“ Ganz zu schweigen von dem Verkehrslärm auf der Straße: ob der von der Bahn hinter dem Laden oder von den Bussen und Autos vor der Tür kommt, ist dabei egal. „Aber das ist das zweischneidige Schwert des Lebens in der Hauptstadt„, gibt Tonino zu. Auf der einen Seite gebe es immer so viel Spannendes zu entdecken, auf der anderen Seite höre der hohe Geräuschpegel nie auf.
Für Claudia Glück, Inhaberin eines Textilgeschäfts und Anwohnerin der Florastraße, ist der Lärm von der Straße auch echt belastend. „Es ist undenkbar, dass Kinder nachts gut schlafen können, wenn Busse alle drei Minuten draußen auf der Straße so laut vorbeifahren,“ erklärt sie, „aber das ist natürlich der Preis der Großstadt.“
Über den Verkehrslärm beschwert sich auch eine weitere Kauffrau in der Florastraße. „Ich finde es total verrückt: Die Florastraße ist ja keine Schnellstraße“, findet sie. Und wegen dem Fluglärm hat sie nachts keine Ruhe: „Sogar am späten Abend fliegt noch alle drei Minuten ein Flugzeug vorbei und darum fällt mir das Schlafen schwer.“ Pankow soll ein ruhiger Ort für junge Familien sein, ist aber anscheinend das Gegenteil davon. Busse sowie LKWs dürfen nun mal in der Florastraße fahren, obwohl die Straße eher den Charme einer kleinen Flaniermeile besitzt.
Sich entspannen ist auch keine leichte Aufgabe. „Was auf die Nerven geht, ist, dass ich mich kaum ausruhen kann, wenn ich am Wochenende im Park liege oder so,“ erklärt Lily M., die in einem Fotostudio arbeitet. „Die Flugzeuge, Busse, Straßenbahn und Bahn produzieren insgesamt so viel Lärm, dass es echt unangenehm ist, draußen zu sitzen.“ Wir können vor Ort nur feststellen: Diese andauernden Hintergrundgeräusche fallen schon auf.
Ob es sich aber lohnt, ständig darüber zu klagen, ist fraglich. „Na klar, der Lärm nervt mich total“, sagt Birgit Rankewitz, die in einer Bäckerei in der Nähe des Bahnhofes arbeitet, „aber Meckern bringt ja gar nichts! Sie werden sich nicht plötzlich dafür entscheiden, den Flughafen abzureißen oder was weiß ich“, erklärt sie und lacht.
Lärm ist doch nichts Schlimmes!
Andere Pankower finden keinen Grund zum Klagen.
„Man muss mit Lärm rechnen, wenn man in einer Großstadt wohnt“, sagt Patrick Otto, der in der Friedrich-Engels-Straße wohnt. „Entweder man erträgt ihn einfach oder man zieht aufs Land.“
Auf der gleichen Straße reden wir mit Olya Efrenova, die vor kurzem von Russland nach Berlin umgezogen ist und jetzt in Pankow wohnt. „Mir ist es aufgefallen, dass es schon ganz viel Lärm gibt“, erklärt sie, „aber ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet, als ich in eine Hauptstadt umgezogen bin.“
Auch für diejenigen, die in der Großstadt aufgewachsen sind, ist das ständige Kommen und Gehen nichts Bemerkenswertes. „Ich bin in Pankow groß geworden“, sagt ein anderer Kaufmann in der Florastraße, „also ich kenne ja nichts anderes. Ich finde, man gewöhnt sich immer an seine Umgebung.“
„Letztendlich muss man über den Tellerrand schauen können“, erklärt eine Frau am Bahnhof. „Nach meiner Einschätzung könnte man auf schlimmere Probleme als Lärm stoßen.“
Ein schönes Zuhause trotz Lärm?
Nichtsdestotrotz können wir verstehen, warum es für einige Anwohner viel zu laut in Pankow ist. Nach einem anstrengenden Arbeitstag ist es schön, nach Hause zu fahren und Ruhe zu haben, was in diesem Kiez wegen des ganzen Trubels überhaupt nicht möglich wäre.
Ganz abgesehen von der Lärm-Frage ist es aber klar, dass gerade das Leben in Pankow jungen Familien viele Vorteile bietet: ein starkes Gemeinschaftsgefühl, grüne Parks für Kinder, einzigartige Läden und viel Weite. Für diejenigen, deren Ohren nicht so empfindlich sind, könnte Pankow also durchaus eine gute Wahl für ein neues Zuhause sein.