Ein älterer Herr kommt durch die Glastür. Im feinsten Hochdeutsch fragt er nach Krakauern. Er habe sehr leckere in Hannover gegessen. Dzidka Düser, eine Mittvierzigerin, die aussieht wie Ende zwanzig, steht in roter Schürze und mit roten Lippen in ihrem polnischen Lebensmittelladen Pod Kogutem und erklärt dem Mann, dass die Würste, die in Deutschland als Krakauer bekannt sind, eigentlich keine richtigen Krakauer sind. Echte Krakauer, sagt Düser, sei Wurst aus ganzen Fleischstücken, die kalt zu Brot gegessen werde. Dem Herrn ist das egal. Er möchte die aus Hannover.
Unter die Decke ihres Ladens hat Dzidka Düser einen großen, runden Leuchter aus geschliffenem Glas gehängt. Damit es modern aussieht, sagt sie. Sie wolle zeigen, dass Polen nicht mehr so zurückgeblieben sei wie früher. Sie wolle bei ihren deutschen Kunden Verständnis für Polen schaffen. Viele von denen seien überrascht von der polnischen Küche, sagt Dzidka Düser. Dass sie ihre Lebensmittel aus Polen importiert, irritiere viele. „Ist das nicht schrecklich weit weg?“ „Nein“, antwortet Düser dann. Zwei, drei Autostunden, so lange brauchen ihre Lieferanten, die täglich Torten, Würste und andere Waren bringen. Warum sie nicht einfach in Deutschland einkauft? Polnische Lebensmittel schmeckten anders, die Würste seien würziger, Kuchen und Torten süßer.
Deutschland, ein Sehnsuchtsort
Dass ihre deutschen Kunden so wenig von Polen wissen, liegt vielleicht an der Geschichte der beiden Länder. Erst verheerte der Zweite Weltkrieg die Beziehungen, dann verlängerte der Eiserne Vorhang jahrzehntelang den Weg nach Polen ins fast Unendliche. Und obwohl die Grenzen seit 26 Jahren offen sind und Polen seit 2004 Mitglied der EU ist, wirkt diese Zeit bis heute nach. Die Deutschen orientieren sich nach Westeuropa. Frankreich und Italien liegen gefühlt näher. Auch politisch ist die Lage wieder heikel. Seit die neue rechts-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in Polen an der Macht ist, gehen die Polen auf Abstand zur EU und zu Deutschland. Und so ist die Tür zu Dzidka Düsers Laden auch eine Tür in eine Kultur, deren Fremdheit sich nicht in realen Kilometerangaben bemisst.
Von den Polen zu sprechen, sei überdies schwer, sagt Oliver Loew. Zu verschieden seien die Lebensentwürfe. Oliver Loew ist Historiker und stellvertretender Direktor des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt. Erst kürzlich hat er ein Buch über die Polen geschrieben, es heißt: Wir Unsichtbaren. Er sagt: „Alle Polen in Deutschland bewegen sich irgendwo zwischen ganz polnisch und ganz deutsch. Das Einzige, was alle verbindet, sind meistens die Sprache und die Erinnerung an die Herkunft aus Polen.“ Deshalb fängt, wer etwas über die Polen erfahren will, am besten bei Dzidka Düser in ihrem Laden an – einer inoffiziellen polnischen Botschaft, nur wenige Meter vom Kurfürstendamm entfernt.
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