Von außen wirkt das Olympische Dorf von 1936 im brandenburgischen Elstal recht unscheinbar. Man könnte es für einen vernachlässigten Trainingsplatz halten. Hinter dem kleinen Kassenhäuschen erstreckt sich jedoch ein Areal, auf dem sowohl Sport- als auch Kriegsgeschichte vorbereitet wurde. Schon während seiner Planung durch den Architekten Werner March gab es die Idee, das Olympische Dorf für militärische Zwecke zu nutzen. Die Häuser wurden massiv erbaut, damit sie später zu Kasernen umfunktioniert werden konnten. Als 1936 die ersten Athleten ihre Quartiere bezogen, trat hinter den Zäunen bereits der endgültige Rüstungsplan des Dritten Reichs in Kraft, mit dem der NS-Staat seinen Angriff auf Osteuropa vorbereitete. Nach den Spielen zog die Wehrmacht in die Sportlerheime. Neben anderen Kompanien wurde die beim Überfall auf Polen beteiligte 218. Infanterie-Division hier stationiert. Ab 1945 nutzte die Rote Armee das “Dorf des Friedens“ erneut als Kaserne.
Jesse Owens-Haus – Eine außergewöhnliche Karriere in Bildern
Dem amerikanischen Leichtathleten James Cleveland “Jesse“ Owens, der bei den Olympischen Spielen 1936 vier Goldmedaillen gewann und damit erfolgreichster Teilnehmer der Wettkämpfe wurde, widmet die “DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement“, die das Dorf seit 2005 betreibt, eine Sonderausstellung. Das “Jesse Owens-Haus“ ist das einzige der ehemaligen Mannschaftsquartiere, das renoviert wurde und heute für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Im Inneren informieren Fotos über sein Leben und seine Karriere. Aufgrund der Rassendiskriminierung in Nazideutschland wollte der Afroamerikaner zunächst nicht an der Olympiade teilnehmen, reiste auf Druck des amerikanischen Nationalen Olympischen Kommitees aber schließlich doch nach Berlin. Während der Wettkämpfe freundete er sich mit dem deutschen Weitspringer Luz Long an, was ihm die Sympathien des Berliner Publikums und den Missmut Adolf Hitlers einbrachte. In der Mitte des Gebäudes wurde sein ehemaliges Zimmer nach Originalvorlagen rekonstruiert.
Im Jesse Owens-Haus befinden sich außerdem eine Art Wintergarten, in dem Tafeln über die Geschichte des Dorfes informieren, und eine Fotogalerie verschiedener Künstler und Hobbyfotografen, die das Areal im Rahmen eines Wettbewerbes ablichteten.
Wandeln auf historischen Pfaden
Bei einem Rundgang durch die Museumsanlage fällt vor allem das “Speisehaus der Nationen“, ein Rundbau im Bauhaus-Stil, ins Auge. Hier wurden die Sportler während der Olympischen Spiele versorgt. Heute ist es eine verwilderte Ruine, die mit ihrer verwitterten Fassade und den zerbrochenen Fensterscheiben zur Urban Exploration einlädt. Zumindest von außen.
Wer an einer Führung teilnimmt, kann außerdem die alte Schwimmhalle von innen betrachten. Hier herrscht der Charme eines Lost Places, eines Ortes, der nicht mehr genutzt wird und sukzessive verfällt. Die Kacheln sind brüchig, die Wände bröckeln. Hält man jedoch inne und lauscht, kann man vielleicht noch das Planschen und Prusten der Olympioniken hören.
Viele der Grünflächen im Olympischen Dorf sind gesperrt. Sie dürfen aufgrund ihrer historischen Bedeutung nicht betreten werden. Wer trotzdem Lust zum Verweilen in der Sonne oder auf ein Picknick hat, kann etwas abseits der Wege unter Birkenbäumen entspannen. Hier befinden sich zwei als Auen angelegte Wiesen, die den Sportlern 1936 als Freizeit- und Erholungstreffpunkt dienten. Im nahe gelegenen Hindenburghaus fanden kulturelle Veranstaltungen statt.
Auf dem Weg zurück zum Ausgang sollte man sich unbedingt noch etwas Zeit nehmen und die alte Tartanbahn rings um das Sportfeld ablaufen. Dies ist der Ort, an dem Owens seine Starts und Sprints übte und sich für seine vier Goldmedaillen in Form brachte.