Filmreview

Mackie Messer im Kino: Ist was fürs Auge, aber mehr fürs Gehirn!

Lars Eidinger als Bertolt Brecht im neuen Film "Mackie Messer: Brechts Dreigroschenfilm".
Lars Eidinger als Bertolt Brecht im neuen Film "Mackie Messer: Brechts Dreigroschenfilm".
Die Dreigroschenoper wurde in den 20ern zum Welterfolg und ist bis heute ein Theaterklassiker. Sogar eine Verfilmung hatte Brecht in der Mache, die aber nie verwirklicht wurde. Nun kommt der Stoff doch ins Kino, aber nicht als klassische Verfilmung, sondern als Film im Film mit Bezug zu Donald Trump.

„Erst kommt das Fressen und dann folgt die Moral“. Es herrscht Aufruhr bei der Generalprobe der Dreigroschenoper: Die Schauspieler weigern sich das Holzpferd als Requisite zu nutzen, das wirke zu lächerlich und auch die Texte sorgen für Widerstand, sodass der Peachum-Darsteller (Joachim Król) wütend von der Bühne stampft. Zudem sagt Polly-Schauspielerin Carola Neher (Hannah Herzsprung) kurz vor Premiere ihre Teilnahme ab. In dieses Chaos tritt Bertolt Brecht (Lars Eidinger), der mit qualmender Zigarre im Mundwinkel, runder Eisenbrille und schelmischem Grinsen alles von einer beobachtenden Ebene ganz ruhig wieder in seine Bahnen lenkt. Eine seiner Lösungen für die Unruhe: Es gibt Trillerpfeifen für die Schauspieler, sodass sie bei möglichen Buhrufen auch adäquat antworten können.

Der Abend des 31. Augustes 1928 im Theater am Schiffbauerdamm wird zum Nervenspiel, keine bis ablehnende Reaktionen des Publikums – erst als Tiger Brown (Christian Redl) und Macheath/Mackie Messer (Tobias Moretti) den von Kurt Weill (Robert Stadlober) komponierten Kanonensong performen, zeigt das Publikum durch tosenden Applaus seine Wertschätzung. Es folgt ein internationaler Erfolgszug, Brechts Stück wird in 18 Sprachen übersetzt und jeder Song von Weill, ob nun Die Seeräuberjenny oder Die Moriat von Mackie Messer, wird zum Schlager. So beginnen Brecht und sein kongenialer Komponist gemeinsam mit der Nero-Film AG die Planung eines Dreigroschenfilms.

Der Film im Film

Das ist der Startpunkt für Joachim A. Langs Werk Mackie Messer. Darin realisiert der Regisseur und Brecht-Kenner den nie zustande gekommenen Dreigroschenfilm auf Basis von Brechts eigenem Exposé. Drumherum verläuft zusätzlich die Entstehungsgeschichte der Verfilmung, also wie Brecht und Weill für ihr kompromissloses Werk kämpfen, während die Nero-Film AG nur eine Eins-zu-Eins-Verfilmung des Theaterstücks möchte, um sicheren Profit einzuheimsen. Zwischen diesen beiden Storys wird ständig hin- und hergesprungen, so stehen Brecht und Produzent auf einer Brücke im Fake-London-Set, als Polly und Macheath in einem Ruderboot unter der Brücke hindurchfahren. Brecht gibt in diesem Moment die Anweisung, dass zwei Monde über dem Paar aufgehen sollen, was nun endgültig die Künstlichkeit der Szene offenbart und gleichzeitig den Kampf von freier Kunst und Kommerz darlegt, wenn der Produzent mit aufgestellten Haaren dagegen protestiert, denn das würden die Zuschauer nun endgültig nicht mehr akzeptieren.

Der Fim Mackie Messer besteht also aus mehreren Ebenen: die gespielte Lebensrealität des berühmten Autors sowie die Welt der Charaktere des Dreigroschenfilms. In keine kann man als Zuschauer so richtig eintauchen, da Verfremdungseffekte einen immer wieder rausholen. Sei es zum Beispiel durch plötzliche Tanz- und Gesangseinlagen, Schauspieler in Doppelrollen oder durch den Bruch der vierten Wand, wenn Peachum oder Brecht direkt in die Kamera mit dem Zuschauer sprechen. Damit verwendet Joachim A. Lang in seinem Film genau die Mittel, die Brecht in seinem Epischen Theater nutzt. Besonders schwierig ist die Zuschauer-Hauptfigur-Beziehung. Lars Eidingers Bertolt Brecht spricht im ganzen Film allein Textpassagen und Zitate, die von Brecht überliefert sind. Das wirkt oft so, als wenn Dialoge mit dem Autor kaum möglich sind seine Aussagen thronen irgendwo da oben, während das Gespräch auf einer anderen Stufe weitergeht. Aber eben auch nicht immer. Dann kommt es wieder stechend treffend und witzig: „Wenn sie etwas sehen wollen, was Sinn macht, müssen sie aufs Pissoir gehen: Der Eintrittspreis wird auf gar keinen Fall zurückerstattet.“ Zwar sorgen die Rezitationen für Authentizität, aber es schafft auch Distanz. Vor allem da es kaum Momente gibt, wo die Figur Brecht von anderen Figuren berührt scheint.

Eine der beeindruckendsten Sets: Peachums Bettlerhochburg.

Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?

Der Haifisch für die große Leinwand ist folglich kein Popcorn-Kino mit Zurücklehn-Garantie, vielmehr sind die grauen Zellen des Publikums gefordert, und zwar ständig. Das betrifft natürlich nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt. Der bleibt aber auch ziemlich hängen, wegen dem Bezug zum Hier und Jetzt. Ob nun der Mob von armen, hungrigen Menschen, die gegen den Kugelhagel von Soldaten anlaufen oder wenn sich die Gangster rund um Mackie Messer in Banker verwandeln. Damit spinnt Regisseur Lang filmisch weiter, was Brecht provokativ und politisch schon formuliert hat: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Dieses Zitat scheint passend zum Lehman Brothers-Kollaps und die daraus resultierende Finanzkrise. Der Film springt von einem altertümlichen London in die Szenerie einer Hightech-Bank. Polly wandelt sich ebenso vom dummen, verliebten Mädchen zur Strippenzieherin, die Mackie Messer zum Bankenchef macht. Der wiederum lässt es sich nicht nehmen eine populistische Rede zu halten: „Wir brauchen gute Reiche und gute Arme! Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es eine solche Staatsführung geben wird.“ Make … great again, scheint da fast auf dem Fuße zu folgen.

Die neue filmische Besprechung der Dreigroschenoper hat aber auch Unterhaltungswert für den Zuschauer, das aber vorrangig durch Tanz und Gesang. Dabei erstaunt der hochkarätige Cast hier sehr mit seinem Können. Etwas zu wünschen übrig lassen die Special-Effects im Film, die irgendwie veraltet aussehen und welche Rolle Brechts Frauenverführer-Eigenschaft genau spielt, verstehen wir auch nicht. Vieles erscheint uns bruchstückhaft in der Erzählung, aber als Brecht-Fans gehen wir ganz zufrieden aus dem Saal.

Der Film Mackie Messer: Brechts Dreigroschenoper ist ab dem 13. September im Kino. Außerdem kannst du noch bis zum 6. Oktober ein Making-of zum Film in der ARD Mediathek abrufen.

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