Kiezspaziergang

Ganz entspannt: Mit Rapper Mädness durch Wedding 65

Rapper Mädness sitzt auf Stromkasten
Schnell merken wir, dass Mädness vor allem seine Musik wichtig ist. Chichi braucht er nicht.
Wenn dir Mädness nach diesem Sommer immer noch nichts sagen sollte, hast du etwas nachzuholen. Wir waren mit dem „Grown Man Rapper“ in seinem Weddinger Kiez spazieren und wissen jetzt nicht nur, wo er seinen Whiskey Sour trinkt ...

Mädness, der eigentlich Marco Döll heißt, kommt ursprünglich aus einer kleinen Gemeinde im Landkreis Darmstadt. Vor ein paar Jahren entschied er sich nach Berlin zu ziehen. Sein Weg führte ihn über Schöneberg nach Wedding. Das war aber Zufall. „Weil die Wohnungslage in Berlin einfach nicht die beste ist“, wie er uns erklärt. Daher treffen wir uns also im Wedding, besser gesagt vor dem Imbiss Saray in der Müllerstraße. Es ist früher Nachmittag, definitiv noch nicht unsere Döner-Zeit. Also beschließen wir, mit einem Kaffee zu starten. 3 Euro für zwei Kaffee, das sind noch ungentrifizierte Wedding-Preise, denken wir, als wir aus dem nächstgelegenen kleinen Café kommen. Und dann schmeckt er auch noch. „Ich bin da sehr einfach gestrickt. Sobald Koffein drin ist, ist das schon die halbe Miete“, findet Mädness. „Ich trinke sehr gerne japanischen Tee, weißen Tee, alles Mögliche. Dafür gebe ich auch Geld aus.“ Den Teedealer seines Vertrauens hat er allerdings nicht in Berlin, sondern in Frankfurt. 

Rapper Mädness in Hauseingang

Lässig und total auf dem Boden geblieben. Rapper Mädness hat definitiv keine Starallüren.

Obwohl Mädness nun schon eine ganze Weile im Wedding wohnt, hat er noch nicht so richtig viel von seinem Kiez erkundet. Er ist häufig in seinem Studio in Neukölln, Mucke machen. Allerdings mag er den Weddinger Charme. „Hier fehlt noch dieses Amerikanische, das du in anderen Bezirken bereits hast. Hier wünscht dir niemand einen schönen Tag, wenn er es nicht auch ehrlich meint. Das finde ich gut. Weil ich das aus dem Rhein-Main-Gebiet aber auch nicht anders kenne.“ Fade Floskeln? Nein danke! 

Lieber Stadt oder Land? „Ich tue mich schwer mit diesem ‚Gut‘ oder ‚Schlecht‘ im Bezug auf Stadt oder Kaff“, erklärt er. Er hat mit beiden seine Geschichte. „Klar, das soziale Gefüge auf dem Land ist ein ganz anderes. Wenn du dort zum Umzug bestellst, stehen die Leute morgens um 5 Uhr auf der Matte. Hier ist das eher schwierig. Ich habe gelernt, dass man für Berlin einen Plan braucht. Viele meiner Freunde sind wieder aufs Land zurück gegangen. Das wollte ich vermeiden.“

Rapper Mädness spricht mit Redakteurin

Der Rapper versucht nicht nur schwarz oder weiß zu sehen. Beide Seiten der Medaille tragen zu einer Geschichte bei.

Als wir am Leopoldplatz vorbeikommen verrät der Musiker uns, dass er gerne auf den Flohmarkt geht. „Ich mag alte Möbel und kaufe mir gerne mal eine Platte. Gelebten Gegenständen kann ich etwas abgewinnen.“ Aber da hört es mit dem Kaufen auch schon auf. „Ich bin zwar ein Fan vom Konsumieren, aber nicht davon Sachen zu kaufen, die ich mir irgendwo in die Wohnung stelle. Das Meiste was ich mache, ist, mir Weggetränke holen, Essen bestellen oder Essen gehen.“ Restauranttechnisch legt er sich aber nicht fest. Wenn er Zeit hat, sucht er sich Länderküchen aus, die er noch nicht kennt. Das macht ihm Spaß. Sonst ist er eher ein „Phasentyp“. Da gibt es dann ein Vierteljahr arabisch und danach kommt etwas Neues. Die polnische Küche beispielsweise mag er gern

Sein neues Album: „Original Gude“

Weil wir gerade so schön beim Thema Essen sind, wollen wir jetzt auch mal ein bisschen Butter bei die Hefeklöße (hessische Küche). Wir wissen, dass „OG“ in Mädness‚ Fall nicht für „Original Gangster“ steht, sondern für „Original Gude“ (auf nicht-hessisch also ein ‚Original Guter‘, Anm. d. Red.), aber ein bisschen gewagt finden wir es schon, dass er seine neue Platte einfach mal „OG“ genannt hat. Für ihn ist der Begriff hier in Deutschland aber gar nicht so gängig und vielbenutzt wie bei den Amis. Mit dem „Original Gude“-Albumtitel wollte er den „OG“-Begriff aufbrechen und ihm einen positiven Touch verpassen, wie er uns erklärt. Wozu on top noch der neckische hessische Akzent beiträgt, den wir sowohl in unserem Gespräch als auch in seiner Musik schätzen. 

Was auf seiner Platte „OG“ Song für Song klar wird: Mädness‘ Texte sind absolut diplomatisch, reif und regen positiv zum Nachdenken an. Er gehört mit seinen 38 Jahren schließlich auch zu den „Grown Man Rappern“, deren Aushängeschild aktuell wohl Trettmann ist. Der hatte seinen endgültigen Durchbruch übrigens 2016 mit 43 Jahren. „Als Rapper, der der Jugendzeit ein bisschen entflohen ist, hat mir der Trettmann-Erfolg auf jeden Fall das Selbstbewusstsein gegeben, immer noch markieren zu können, immer noch meine Berechtigung zu haben.“

Wenn man sich Mädness‚ alte Platten mal anhört, merkt man einen deutlichen Unterschied: Mit dem Alter kommen eben unweigerlich Erkenntnisse, die man als junger Krawallrapper noch nicht hatte. Das fließt natürlich in die Musik ein. Aber es gibt eben auch Kandidaten, die noch nach Jahren darüber rappen, dass sie fremde Mütter fic… äh liebkosen. Also bitte, bitte: Mehr von „Grown Man Rappern“, die uns mit ihren durchdachten Zeilen immer ein kleines Stückchen weiser werden lassen. 

Rapper Mädness und Redakteurin auf dem Leopoldplatz

Beim Tag der Zivilcourage auf dem Leopoldplatz ist auch die Schwester des 2012 getöteten Jonny K. auf der Bühne. Wir hören eine Weile zu.

Unser Spaziergang neigt sich dem Ende und wir haben, ganz kiezspaziergangsuntypisch, noch nicht einen Laden genannt bekommen, in dem unser Protagonist anzutreffen wäre. Also setzen wir nochmal an und fragen, ob es denn wenigstens eine Favourite-Bar oder Kneipe gibt. „Kneipen sind mein Ding. Und Cocktails. Da kann ich euch auf jeden Fall das Maigold in Schöneberg empfehlen. Der Laden hat zwar keine A- oder B-Lage aber die machen einen wahnsinnigen Whiskey Sour“, verrät er uns.

Cornern geht immer!

Ansonsten ist Mädness eher der „Cornern-Typ“, also an der Straßenecke abhängen. Ab in den Späti und ein Bier auf die Hand, meistens Heineken oder Beck’s und dann auf die Bank davor und quatschen. Bietet sich in Berlin auch an. Und sein Lieblingsspäti? „Im Zweifel immer der, der am längsten auf hat“, lacht er und nimmt einen Zug von seiner Zigarette. 

Wir stehen wieder vor dem Saray, wo sein Fahrrad angeschlossen ist. Mit Mädness zu quatschen war ein bisschen so, als hätte man sich mit diesem einen guten Kumpel getroffen, der immer einen Ratschlag hat und mit dem das Reden so einfach ist. Marco schwingt sich auf dein Fahrrad und wir stehen noch einen Moment vor dem Saray und überlegen, ob jetzt schon unsere Dönerzeit ist, entscheiden uns dann aber für ein gepflegtes Corner-Bier vom Späti. 

Wenn du noch nach einem passenden Weihnachtsgeschenk suchst: Im Februar kannst du Mädness mit „OG“ live erleben. Zum Beispiel am 20.02 im Badehaus. Alle weiteren Tourdaten findest du hier.  Tickets für die Tour bekommst du hier. 

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