„Eine Wurst neun Euro“, informiert Silvia Wald in emsiger Fleischereifachverkäuferinnenmanier einen Kunden. „Gefühlsecht, griffecht – alles, was man braucht“, schiebt die Designerin nach und lebt das Wursttheken-Klischee: „Darf’s noch etwas mehr sein? Noch ein Würstchen auf die Hand?“. Dabei hat sie gar keine Würstchen im Angebot, zumindest keine aus Fleisch.
Die Bekleidungstechnikerin imitiert die Fleisch- und Wurstwelt mit Nadel und Faden – aus Nikki, Lycra und Wollmischgewebe. Ihr Showroom in der Boxhagener Straße in Friedrichshain ist eine Mini-Metzgerei inmitten von Kleidern und Designertaschen ihrer kreativen Kollegen.
Walds skurriles textiles Wurstparadies funktioniert wie ein kuscheliger Kaufmannsladen für Erwachsene: Die handgefertigten, wurstartigen Stoffartikel hängen an Fleischerhaken von einer Metzgereikulisse oder liegen in einer üppig bestückten Ladentheke: Zu baumelnden Blutwürsten, Mortadellas mit Pistazien und Edelschimmelsalamis, die als Nackenrollen herhalten, gesellen sich kleine und große Wurstketten, servierfertige Stoff-Currywürste, Mettbrötchen und eine formschöne Haarspange auf Wurstpappenbasis.
„Ich finde, Wurst muss kein Gesicht haben“, lacht der Kunde, als er Walds Version einer „Gesichtswurst“ entdeckt. Ihr Exemplar sei als Kuschelkissen doch vielmehr eine Art „Bettfreund“, damit man morgens in einsamen Zeiten nicht allein aufwachen müsse, kontert die Diplom-Ingenieurin, „deshalb ist das Gesicht sehr wichtig“. Walds Bestseller und gleichzeitig ihr Lieblingsartikel ist allerdings ein Schinken. Sie mag vor allem dessen handgebatikte Oberfläche und die Form: „Dieses Kissen weckt Urinstinkte“, erklärt Wald bierernst, „jeder will die Keule nehmen, sie schwingen und Konflikte damit lösen, im Neandertaler-Style.“
Geschenkideen nicht nur für Fleischesser
Der Kunde aber sucht ein kleineres Mitbringsel für einen „sehr erklärten Vegetarier“. Walds Stoff gewordener Fleischertraum ist als Geschenkartikel gefragt, sowohl bei Fleischliebhabern als auch -abstinenzlern. Sie selbst ist ebenfalls Vegetarierin: „Schon immer. Ich hab’ einen gesunden Abstand zu der Wurst.“
Nach ihrem Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hat Silvia Wald 2008 ein eigenes Atelier eröffnet. Der Name „Aufschnitt“ sei ein simples Wortspiel gewesen – nur ein paar kleine Würstchen sollten als Werbegeschenke her. Heute hat sie über 40 verschiedene Wurst- und Fleischartikel im Angebot. In unerwartet seriösem Business-Tonfall fallen Worte wie Corporate Identity, ganzheitliches Konzept und Zielgruppe. Mit ihrer, wie sie sagt, „rein kommerziellen“ Kollektion will Wald ihr Können potenziellen Auftraggebern demonstrieren, als Aushängeschild. Dazu gehöre eben auch die Präsentation der Produkte in einem surrealen Kontext. Sie denkt die Dinge zu Ende.
Bei den Fleischindustriellen dieses Landes ist Wald mit ihren Produkten weder auf sonderlich viel Humor noch einen ausgeprägten Sinn für schöne Dinge gestoßen. Mit „regem Unverständnis“ sei man ihr begegnet, als sie 2010, kostümiert als „wunderschöne Fleischfachverkäuferin“ auf der IFFA, der Leitmesse der Fleischindustrie, ihre Produkte vorgestellt hat.
Kurzerhand hat sie ihr Portfolio auch auf der größten Konsumgütermesse vorgestellt, der „Ambiente“ in Frankfurt am Main. Mit der Kollektion „Wiesn Star 2011“, die die Kundschaft mit einer Weißwurstkette und einer Riesenbretzel, die zu einem Schal auseinandergefaltet werden kann, ausstattet.
Der Showroom
Boxhagener Str. 32
10245 Friedrichshain
www.aufschnitt.net