Zwischen türkischem Café und Buchladen hat mit der „Imaginären Manufaktur“ (DIM) eine Marke ihr Zuhause, die mehr bewegt, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Denn hier wird gemalert, geflochten, getöpfert, gefräst – jede Menge Handwerk betrieben. Das Besondere: Die Arbeiten übernimmt ein Team von 200 Leuten, von denen rund 170 eine Behinderung haben. Viele von ihnen sind sehbehindert, manche haben psychische Erkrankungen – und können hier ihr handwerkliches Talent einbringen.
Café, Laden und Manufaktur unter einem Dach
Dafür sorgt seit 2005 die Union Sozialer Einrichtungen (USE). Die gemeinnützige GmbH hat die gesamte Anlage von der Stadt Berlin übertragen bekommen, in der sich seit 1902 die Städtische Blindenanstalt befand, und sie seitdem aufgepäppelt, modernisiert, ausgebaut. Immer mit dem Ziel, „seine Tore zu öffnen, den Kontakt zu den Menschen zu suchen, sich ihnen zu zeigen“, so Frank Schönfeld, Betriebsstättenleiter der Manufaktur.
So befinden sich heute auf dem Hinterhof unter anderem Tischlerei, Wäscherei, Malerei, Töpferei, Flechterei und neben dem Eingang der Manufaktur-Laden. Diesen gibt es bereits seit 1928; er fällt vielen Gästen heute als Erstes durch die dekorierten Schaufenster sowie Tische und Stühle vor der Tür auf. Durch die Kombination von Café und Verkaufsladen kann man sich hier nicht nur bei hausgemachtem Kuchen und frischem Kaffee seinen Tag versüßen, sondern nebenbei die verschiedenen Ergebnisse der Manufakturarbeit begutachten.
Schmuck aus Altpapier und Bürsten in Bärenform
Zum Beispiel den Mini-Tischkicker oder durch ihr buntes japanisches Papier auffallende Fischfächer. Besonders in Sachen Bürsten macht der DIM so schnell niemand etwas vor. Hier gibt es die klassische Hand-, Bade-, Schuh- oder Puderbürste ebenso wie künstlerisch verarbeitete Versionen in der Form von Brandenburger Tor oder Berliner Bär. Sämtliche Artikel, die hier zum Verkauf stehen, wurden in Kleinstarbeit nur wenige Meter weiter oder in einer der Werkstätten der USE in Berlin-Brandenburg hergestellt. Stichwort Kleinstarbeit: Seit wenigen Wochen bietet die DIM auch Kunstschmuck an. Im Tausch gegen 10 Euro bekommt man ein Paar verschiedenfarbige Ohrringe, die Silber, Perlmutt und Perlen aus Makulaturpapier vereinen.
Eine Auswahl von Produkten bietet die DIM auch in ihrem Online-Shop. Das deutlich vielfältigere Sortiment befindet sich allerdings im Laden in der Oranienstraße. „Hier liegen viele Produkte aus, die wir unseren Kunden neu anbieten“, so Frank Schönfeld. „Und je nachdem, wie sie ankommen, nehmen wir sie ins Sortiment oder überarbeiten sie.“
In den kommenden Monaten soll das Angebot im Online-Shop allerdings stetig erweitert werden, einfach um die Marke „DIM“ nicht nur im Web, sondern deutschlandweit ein wenig bekannter zu machen. Dass die „Imaginäre Manufaktur“, die es derzeit so nur in Berlin gibt, schon über eine gewisse Bekanntheit verfügt, zeigen täglich neue Kundenaufträge und Messeeinladungen. So hatte die DIM zum Beispiel im Februar einen Stand auf der Konsumgütermesse „Ambient“ in Frankfurt am Main oder war Mitte März zu Gast auf der „Werkstätten:Messe“ Nürnberg.
Große Nachfrage und neue Produkte
„Schon einige Kundenaufträge mussten wir auch ablehnen“, so Betriebsstättenleiter Schönfeld. Klar: Schließlich stehe weiterhin die Einzel- und nicht die Massenproduktion im Vordergrund. „Man darf auch nicht vergessen, dass die Arbeit für unsere Mitarbeiter zu bewältigen sein muss.“ Immer häufiger kommt es mittlerweile vor, dass gleich mehrere Abteilungen der Manufaktur für ein neues Produkt zusammenarbeiten. So sitzen beispielsweise Tischler und Korbflechter seit einigen Monaten an einer Tischlampe, die sich möglicherweise noch in diesem Jahr ins Sortiment mogelt. Auch die Kollegen von der Handbuchbinderei werkeln derzeit an einem Leporello, einem kunstvollen Faltbuch, das Platz für die Lieblingsfotos bietet.
Übrigens: Nicht nur Designer liefern hier Vorlagen für neue Produkte. Von den hauseigenen Mitarbeitern stammte zum Beispiel die Idee der kunstvollen Etagenschachteln, die den kleinen Dingen dieser Welt ein „passendes Zuhause“ geben und sich zu einem Verkaufsliebling entwickelt haben. Darüber freuen sich die verantwortlichen „Schachtelmacher“ genauso wie alle Mitarbeiter der Manufaktur. Ein weiterer Grund zur Freude: der bevorstehende zehnte Geburtstag im September. Worauf sich die Besucher konkret freuen können, steht noch nicht fest. Aber wenn man sich das ganze Umfeld anschaut, kann man sicher sein, dass sie sich hierfür etwas Schönes einfallen lassen werden.