Die Markthalle Neun ist auf den ersten Blick keine Institution, gegen die man kämpfen müsste. Trotzdem wollen einige Anwohner*innen genau das weiterhin tun und rufen am Wochenende zur großen Demo auf. Warum die Initiative Kiezmarkthalle genau jetzt auf die Straße gehen will, obwohl im Hintergrund die aufwendigen Vorbereitungen des Bezirks Friedrichhain-Kreuzberg für eine Dialogwerkstatt laufen, zu der alle Initiativen – ja, es gibt zahlreiche, die unabhängig voneinander agieren – und Nachbar*innen eingeladen werden und Bürgerbeteiligung im ganzen Kiez per Aushang begrüßt wird, ist unklar. Die Markthalle Neun jedenfalls unterstützt die Idee, durch ein einwöchiges Nachbarschaftsforum den Dialog wieder aufzunehmen und Vorschläge, Wünsche oder Kritik in die konzeptionelle Weiterentwicklung der Halle einfließen zu lassen.
Was bisher geschah
Als die Betreiber der Markthalle Neun in Kreuzberg angetreten waren, um sich für das Anders-Essen und Anders-Einkaufen einzusetzen und ein Gegenprogramm zu Discountern zu bieten, die sich eher weniger um Nachhaltigkeit und echte Bio-Qualität kümmern, klang das nach einem Konzept, das wunderbar nach Kreuzberg passte. Hier schlagen die Herzen alternativ und echte Bäcker, Fleischer und Fischer sind den rebellischen Kiezbewohner*innen von Haus aus lieber als profitable Großkonzerne. So weit, so gut. Nun werfen die Anwohner*innen der Markthalle Neun aber vor, ihr Konzept, gutes Essen statt Massenwaren auf Kosten von Produzenten und Tiere, viel zu teuer für den Kiez angesetzt zu haben.
Aldi statt Luxus
Von Luxus-Food ist die Rede und von falschen Versprechungen. Die Kündigung von Aldi durch die Markthalle Neun brachte das Fass zum Überlaufen. Einziehen soll hier eine Dm-Filiale, die das Angebot der Halle viel besser ergänzen würde, so die Markthallen-Betreiber. Ein klärendes Gespräch am 9. April 2019 zwischen Anwohner*innen und der Markthalle Neun führte allerdings dazu, dass sich die Fronten weiter verhärtet haben. Dabei scheut sich die Markthalle Neun gar nicht vor der Auseinandersetzung und veröffentlich auf der eigenen Homepage unzählige Vorwürfe und Fragen von Anwohner*innen und liefert die dazugehörigen Antworten.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Gutes Essen für alle
Die organisierten Anwohner*innen aus dem Bündnis Kiezmarkthalle behaupten jedoch, dass vor gut zehn Jahren eine Halle für alle geplant gewesen sei, entstanden sei hingegen ein elitärer Ort für Besserverdienende und Tourist*innen. Die Markthalle Neun wehrt sich gegen den Halle-für-alle-Slogan, den sie selbst nie verwendet habe. Unter dem sehr ähnlich klingenden Motto Gutes Essen für alle wurde zuletzt 2018 das Stadt.Land.Food-Festival vermarktet. Mit dem Hinweis, die Markthalle Neun sei ein Experiment, um starke regionale Netzwerke aufzubauen und die Ernährungswende zu ermöglichen, wird jede Kritik im Wir-sind-die-Guten-Keim erstickt. Zurecht? Immerhin wird ja tatsächlich versucht, einen erzeugerfreundlichen Markt mitten in Berlin aufzubauen, der moderne Werte vertritt und nachhaltige Produkte zugunsten von Tier, Mensch und Klima anbietet.
Was die Proteste erreichen
Erste Protest-Erfolge zeigen sich darin, dass der Bezirk sich juristisch damit auseinandersetzt, ob – wie Anwohner*innen anzeigten – in der Markthalle Wohnraum als Büro zweckentfremdet wird, was tatsächlich einer langwierigen Prüfung der Historie und der Verträge bedarf, schließlich stammt die Markthalle aus dem 19. Jahrhundert und die Rechtslage ist nicht eindeutig. Als zweiter Erfolg ist zu verbuchen, dass der Aldi zunächst in der Halle verbleiben kann, bis die Dialogwerkstatt ausgewertet und in die neuen Konzeptionierung eingeflossen ist. Dm zeigt sich verständnisvoll und bleibt on hold. Für uns ist das Gerangel um den Discounter nur bedingt nachzuvollziehen, ist die Abhängigkeit der Anwohner*innen von dieser Filiale doch eher als gering einzuschätzen. Der Lidl-Konzern, der ebenfalls keine hochpreisigen Supermärkte betreibt, ist in der nahe gelegenen Zeughofstraße zu finden. Ein NG Markt in der Naunynstraße ist genauso gut fußläufig erreichbar. Nur für den nächsten Aldi müsste man tatsächlich gut 15 Minuten zusätzlichen Gehweg einplanen. In der Markthalle selbst gibt es übrigens auch Händler*innen, die moderate Preise haben, und den Wochenmarkt freitags und samstags.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Demo statt Dialog
Trotzdem hat natürlich jede*r das Recht zu jeder Zeit auf Demos seine Meinung zu äußern und so werden am 14. September 2019 Anwohner*innen genau das vor der Markthalle Neun tun, um ihrem Unmut erneut Ausdruck zu verleihen. Um 15 Uhr geht es los.
Dass die Vertragsverhandlungen mit den Mediatoren für die Dialogwerkstatt in den letzten Zügen liegen und schleunigst ein Termin festgesetzt werden soll, ist soweit bekannt. Viele Nachbar*innen unterstützen das Vorhaben des Bezirks bereits und andere stellen sich hinter die Markthalle Neun, die ihrer Meinung nach aus einem heruntergekommenen Etwas einen Marktplatz und Begegnungsort gemacht hat. Wir beobachten das Geschehen weiter und hoffen, dass es im Kiez friedlich bleibt.