Der Ausstellungstitel klingt paradiesisch und tatsächlich dürfen sich erschöpfte Zuschauer im Erdgeschoss des Martin-Gropius-Baus zwischendurch auch mal auf den Teppichboden legen und sich in der Deckenprojektion eines Lustgartens verlieren. So schön können Gärten sein: Dort streifen zwei nackige Evas umher und genießen auf abstrakt-erotische Art und Weise Pflanzen und Früchte mit allen Sinnen. Neben dieser klassischen Lesart des Gartens als idyllischer Sehnsuchtsort, setzen sich die 20 Künstler in der neuen Gruppenausstellung aber auch kritisch damit als Ort der Ausbeutung und Ausgrenzung auseinander. In der Zusammenführung von Paradies und Katastrophe orientierten sie sich an Hieronymos Boschs berühmtem Triptychon Garten der Lüste, das als Ausgangspunkt der Ausstellung dient und Himmel und Hölle, Genug und Qualen, vereint.
Nachdem im ersten Raum auf die Ursprünge und die Bedeutung von Gärten allgemein eingegangen wird und man den „Garten als System und Denkstruktur“ in Form eines riesigen, geknüpften Teppichs mit Bewässerungsanlagen und Samen bewundern kann, geht es weiter durch die Räume. Dort lernen wir, dass auch Gärten eigentlich Räume sind, die eine Form von Gemeinschaft bilden können, wie beim Urban Gardening, aber auch Platz für Ausgrenzung bieten. Das wird eindrucksvoll an einem leeren Raum deutlich, in dem eine Fläche voll scharfer, abgebrochener Colaflaschen steht – in Südafrika eine beliebte Methode gegen Eindringlinge. So werden Grünflächen und Rasen zum Luxusgut, ein Zeichen der Unterdrückung und Trennung. Unerwünschte Eindringlinge sind aber nicht nur Mitmenschen, sondern auch Pflanzen oder die ungezähmte Natur selber: Denn der irdische Garten zeigt nicht nur Freude und Überfluss, sondern auch Verwesung, Mangel und Ausgrenzung. Hier werden auch die großen Themen wie Migration, Klimawandel, Kapitalismus und Gentrifzierung aufgegriffen und künstlerisch verhandelt.
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Mit Gesellschaftskritik wird nicht gespart in den Kunstwerken: Eines der Videos zeigt die Verdrängung und Ausbeutung fremder Pflanzen wie Rooibos zu kapitalistischen Zwecken als eine Form des Kolonialismus. Pflanzen symbolisieren damit so viel mehr als nur Natur: Im selben Raum sieht der Besucher Fotos uralter Bäume, die stumme Zeugen historischer Ereignisse sind – mal als Orientierungspunkt, mal zur Ausgrenzung oder gar als Henkerswerkzeug dienten. Ein anderer Raum erschafft einen Garten aus Klängen, in dem die Skizzen von Steinen aus japanischen Zen-Gärten als Notenschrift gelesen werden.
Bei all diesem reichen Input lässt uns die Ausstellung dankenswerter Weise nicht mit der Dystopie alleine: Es werden auch Lösungsvorschläge gesucht im Umgang der Menschheit mit Pflanzen und Natur und wir sehen Visionen davon, wie ein Leben nach der Klimakatastrophe aussehen könnte. Hoffentlich bleiben uns ein paar der irdischen Freuden erhalten.
Die Ausstellung Garten der irdischer Freuden kannst du noch bis 1.12.2019 im Martin-Gropius-Bau sehen – Mittwoch bis Montag von 10 bis 19 Uhr.