Montagnachmittag, Marzahner Promenade. Der Spätsommer zeigt sich von seiner schönsten Seite. Nicht weiter überraschend daher, dass die kleine kommunale Galerie M um diese Zeit kaum besucht ist. Bei der Betrachtung der aktuellen Ausstellung kann das nur von Vorteil sein. In der Marzahner Oper erwarten den Besucher keine Sänger und kein Orchester. Die ‚Bühne‘ besteht aus einem Gerüst mit knapp 20 Projektionsflächen, das an die Hochhausarchitektur des Stadtteils erinnert.
Davor: ein breites Sofa, ein Sessel. Hier kann der Besucher Platz nehmen und sich der Videoinstallation von Stefan Demming widmen. Am besten funktioniert das, wenn man dabei ungestört bleibt. Demming hat Material aus der DDR-Fernsehserie Einzug ins Paradies bearbeitet, die Anfang der 1980er in den neu errichteten Hochhäusern der Großbausiedlung gedreht wurde. In der Serie wirkten bekannte Schauspieler wie Kurt Böwe und Jutta Wachowiak mit.
Eine Viertelstunde Hochhaus-Leben
Entstanden ist eine rund 15-minütige Schleife aus gesampleten Filmszenen. Wie hinter den Fenstern eines Hochhauses tauchen die Schauspieler unerwartet auf den Projektionsflächen der Installation auf. Manchmal sagen sie vollständige Sätze, meistens jedoch arbeitet Demming mit Loops oder spielt mit der Geschwindigkeit der Stimmen. Die ausgesuchten Szenen werden zum Panoptikum des Alltagslebens im Plattenbau. Man beobachtet die Bewohner beim Schlafen und Entspannen, bei der Hausarbeit und bei den zwischenmenschlichen Begegnungen im Hochhaus. Auch ein Kuss fehlt nicht.
Wer sich auf die Installation einlässt, gerät leicht in einen Sog, wie man ihn aus dem Kino kennt. In seinen besten Momenten wirkt Demmings Werk rätselhaft wie ein David Lynch-Film. Andere Szenen sind dagegen eher lustig montiert. Zur hypnotischen Wirkung trägt der Sound bei, für den der Künstler ausschließlich auf die Tonspur von Einzug ins Paradies zurückgegriffen hat. Seine Bearbeitung erinnert an Minimal Music oder Ambient und trägt dazu bei, die 80er-Serie elegant in einen Kontext des 21. Jahrhunderts zu setzen.
Nach einer Viertelstunde wiederholen sich die Szenen und man kann sich dem Rest des Raums widmen. Hier hängen noch einige vom Künstler bearbeitete Stills aus der Serie.
Stefan Demming beschäftigt sich in der Marzahner Oper nicht zum ersten Mal mit filmischen Werken. Die Idee zur Ausstellung entwickelte er gemeinsam mit Galerieleiterin Karin Scheel, die ihn und sein früheres Werk bereits kannte. Unter der Prämisse, dass es sich bei der Installation um zeitgenössische Kunst handeln und eine Brücke zum Bezirk bestehen müsse, entdeckten Scheel und Demming Einzug ins Paradies als idealen Fundus für die Marzahner Oper.
Die Ausstellung Marzahner Oper läuft bis zum 28. Oktober 2016. Weitere Informationen zur Galerie M gibt es hier.