Laut einer Studie des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Beratungsunternehmens Empirica wünschen sich 600.000 Erwachsene im Alter von 45 bis 65 Jahre für die eigene Zukunft das Leben in einem Mehrgenerationenhaus. Damit ist ein Projekt gemeint, bei dem bis zu vier Generationen zusammenkommen, sich gegenseitig unterstützen und austauschen. Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder sagte in einem Grußwort: „Mit ihren Offenen Treffs sowie ihren zahlreichen Angeboten für Betreuung, Beratung, Versorgung und Pflege integrieren die Mehrgenerationenhäuser Kinder, Jugendliche und Erwachsene ebenso wie Ältere und Hochbetagte.“
Bedürfnis nach Geselligkeit in jedem Alter
In der heutigen Zeit sind zwei Prozesse für die Gesellschaft prägend, der demografische Wandel und die Anforderungen der Arbeitswelt. Die Lebenserwartung ist in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen. Viele Senioren erfreuen sich bis weit über ihr 80. Lebensjahr eines guten geistigen und körperlichen Zustandes. Gleichzeitig wird die Arbeit für 20- bis 65-jährige immer belastender und ist von einem hohen Organisationsaufwand begleitet. Für beide Altersgruppen stehen Gemeinschaft, stabile Beziehungen zu anderen Menschen und der gegenseitige Erfahrungsaustausch im Vordergrund.
2012 gab es in Berlin nach Auskunft der Netzwerkagentur „Generation Wohnen“ 140 generationsübergreifende Wohngemeinschaften und Bauprojekte, wovon neun offiziell „Mehrgenerationshäuser“ heißen und von der Bundesregierung finanziell unterstützt werden. Angeboten werden dabei gemeinsame Aktivitäten, Kinderbetreuung, die Versorgung älterer Menschen und ein nachbarschaftlicher Treffpunkt.
Viele Mehrgenerationenhäuser entstehen aus Kulturzentren, Familienbildungsstätten oder Seniorentreffs. In der Schillerstrasse 49 in Pankow gab es zum Beispiel vor acht Jahren einen regelmäßigen Schach- und Brettspielkurs für Senioren. „Da in unmittelbarer Nähe ein Hort war, interessierten sich die Kinder schnell für die Aktivitäten der Senioren. Durch das rege Miteinander kam die Idee, einen generationsübergreifenden Treffpunkt zu schaffen“ erzählt Gabriele Klose, Koordinatorin im Mehrgenerationenhaus „Pankower Früchtchen“.
Ein schwules Mehrgenerationenhaus
Auch im Kreativhaus in Berlin Mitte wird viel Wert auf Kultur gelegt. Das Mehrgenerationenhaus ist ein theaterpädagogisches Zentrum und bietet neben Schauspielkursen verschiedene soziale Projekte für Jung und Alt. Im Computerkurs „Klartext“ lernen Senioren das ABC von PC-Anwendungen und Bürger werden bei Bewerbungen unterstützt. Beim „NähCafé“ erlernen Frauen mit Migrationshintergrund das Arbeiten mit modernen Nähmaschinen und können sich nebenbei auch über andere Themen austauschen. Während des Kurses wird in einem Nachbarraum kostenlose Kinderbetreuung angeboten.
„Ich bin alt. Ich bin schwul. Muss ich deshalb einsam sein?“ lautet die Frage von Gottfried, 82 Jahre, auf der Internetseite von Lebensort Vielfalt. Das Mehrgenerationenhaus in Charlottenburg ist Menschen vorbehalten, die eine homosexuelle Neigung besitzen. Zur Eröffnungsfeier des sechs Millionen Euro teuren Umbaus, am 8. Juni 2012, sagte Bürgermeister Klaus Wowereit: „Ihr habt Bedeutendes geschaffen, nicht nur für die Menschen, die hier wohnen“. 24 Mietwohnungen entstanden in dem Haus, das einmalig in Europa ist und von der Schwulenberatung Berlin GmbH unterstützt wird.
Mehr Informationen unter: www.mehrgenerationenhaeuser.de