Neuer Regierender Bürgermeister

Was macht Michael Müller jetzt aus Berlin?

Nach dem Sieg ist vor dem Regieren. Michael Müller muss viel anpacken in Berlin.
Nach dem Sieg ist vor dem Regieren. Michael Müller muss viel anpacken in Berlin.
Der BER und die Mieten, die Partei und die Stadt: Michael Müller steht in der Hauptstadt vor großen Aufgaben. Welche muss der als Zauderer beschriebene zukünftige Regierende sofort anpacken?

Was ist Michael Müller für ein Typ?

Der 49-jährige SPD-Politiker ist durch und durch Parteisoldat. Erst Bezirksverordneter in seinem Heimatkreis Tempelhof-Schöneberg, dann Parlamentarier im Abgeordnetenhaus, Fraktionschef, Parteivorsitzender, Stadtentwicklungssenator und bald Regierender Bürgermeister. Müller arbeitet solide, seriös, ist verlässlich und umgänglich. Er musste Querschüsse aus der eigenen Partei und den Sturz als Parteichef vor zwei Jahren wegstecken. Das fällt ihm nicht leicht, er ist sensibel, kein Haudrauf-Politiker – und er kann nachtragend sein. Wenn ihm etwas missfällt, ist er zu scharfem Sarkasmus fähig. Und er hat einen charmanten Hang zur Selbstironie, was bei einem zur Verschlossenheit neigenden Typus besonders auffällt. Müller ist kein visionärer Politiker, er ist pragmatisch, mitunter aber zu zögerlich. Nicht ausgeschlossen, dass er sich als Regierender Bürgermeister mit Richtlinienkompetenz aber „freischwimmt“ und deutliche Linien im Senat vorgibt. Zuzutrauen wäre es ihm.

Welche Themen sind Müller wichtig?

Michael Müller will eine „solidarische Stadt mit bezahlbarem Wohnraum für alle“. Da zählt für ihn vor allem der Wohnungsbau. „Investitionen in Beton“ will er vorantreiben. Für ihn ist die Schaffung von Arbeitsplätzen ebenso wichtig wie eine adäquat bezahlte Arbeit, damit die Menschen davon „gut leben“ können, wie er sagt. Den Ausbau von Infrastruktur will er im Energie-, Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrsbereich vorantreiben. Müller ist ein Befürworter der Rekommunalisierung der Energienetze. Müller hat aus seiner Niederlage beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld und der Ablehnung seiner Pläne gelernt: Es wird keine weiteren Großprojekte ohne Bürgerbeteiligung geben.

Welche Themen stehen für Berlin oben auf der Tagesordnung?

Viele, die auch Müller als Prioritäten nennt. Also mehr Geld für den Wohnungsbau, die Fertigstellung des BER, Schaffung von Arbeitsplätzen, dazu die Rekommunalisierung, das Verhältnis zwischen Land und Bezirken und der an seine Grenzen gekommene Stellenabbau im Öffentlichen Dienst, der Umgang mit der Historischen Mitte, Flüchtlingspolitik, Liegenschaftspolitik, die Diskussion über den Länderfinanzausgleich, in der Müller sich gegenüber den anderen Ministerpräsidenten erst noch bewähren muss. Die Liste ist lang – und viele der anstehenden Themen hat Müller bereits als Senator oder zuvor auch als Partei- und Fraktionschef behandelt. Ganz oben steht nicht nur für ihn derzeit die staatliche Unterstützung von mehr Wohnungsbau. „Da haben alle die Entwicklung unterschätzt“, sagt ein hochrangiger Genosse selbstkritisch. Zwar habe Müller als Senator „die Kurskorrektur zu einer neuen Wohnungsbaupolitik eingeleitet – aber er wurde zu lange vom Finanzsenator ausgebremst“. Mit dem angekündigten Rückzug Ulrich Nußbaums und Müllers Aufstieg an die Senatsspitze „erwarten wir jetzt eine neue Dynamik“, heißt es in der SPD. „Der Tanker wurde schon gedreht, aber jetzt muss er Fahrt aufnehmen.“

Welche Veränderungen stehen nun im Senat an?

Es obliegt jetzt dem künftigen Regierenden Bürgermeister Müller, sich Gedanken über die Besetzung der SPD-geführten Ressorts zu machen. Zunächst sein eigenes Mammutressort Stadtentwicklung und Umwelt: Die beiden Staatssekretäre Engelbert Lütke Daldrup und Christian Gaebler sind potenzielle Nachfolger. Bau-Staatssekretär Lütke Daldrup gilt als erfahrener und kompetenter Stadtplaner mit ziemlicher Durchsetzungskraft und ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Gaebler ist ein ausgewiesener Verkehrsexperte und zählt zu den engsten Vertrauten Müllers. Im Gespräch ist Gaebler auch als künftiger Chef der Senatskanzlei. Müller sagte bereits, dass alle bisherigen Senatoren im Amt bleiben werden. Doch in welchem Amt? Würde zum Beispiel die bisherige Arbeitssenatorin und frühere Haushälterin Dilek Kolat das Finanzressort übernehmen, wäre ihr Ressort vakant.

Würde Müller seinem „Widersacher“ Stöß selbiges Ressort tatsächlich anbieten und ihn in den Senat holen? In der SPD ist man sehr zögerlich, diese Frage mit Ja zu beantworten. Obwohl Müller und Stöß Burgfrieden geschlossen haben, ist zwischen beiden eine deutliche Distanz zu spüren. Die beiden werden nicht miteinander warm, eine Zusammenarbeit könnte sich schwierig gestalten. Möglich wäre, dass alle Senatoren ihre Ressortverantwortlichkeit behalten und Müller auf eine „Außenlösung“ für das Finanzressort setzt. Nicht wenige Sozialdemokraten betonen, dass Wowereit sowohl mit Thilo Sarrazin als auch mit Ulrich Nußbaum als Finanzsenatoren nicht auf Berliner SPD-Gewächse gesetzt hat, sondern zunächst nicht-Berlin-affine Politiker mit dem wichtigsten Schlüsselressort betraut hat. Damit ist Wowereit gut gefahren: Sowohl Sarrazin als auch Nußbaum mussten auf keine SPD-internen Machtspiele Rücksicht nehmen. Auf der anderen Seite waren sie von der Gunst des Regierenden abhängig. Solche Überlegungen könnte sich derzeit auch Michael Müller machen.

Was macht Müller mit dem BER?

Als Regierender Bürgermeister wird Müller in den Aufsichtsrat gehen. „Das gehört zu einem Regierenden dazu“, sagte Müller kürzlich. Ob er den Vorsitz übernimmt, wird zwischen den Gesellschaftern Bund, Brandenburg und Berlin besprochen werden müssen. Müller spricht von einer „irren Situation beim BER“. Die könne man nicht „schönreden“. Für ihn ist eine „Perspektive“, also ein zeitlicher Fahrplan entscheidend. Ihm ist zudem wichtig, dass mehr Fachleute im Aufsichtsrat des Flughafens sitzen, die Politikern wie ihm bei der Kontrolle des Projekts helfen. Unter Parteifreunden Müllers geht man davon aus, dass der Noch- Stadtentwicklungssenator keine Probleme haben wird, fachkundige Unterstützung aus der Bauverwaltung zu rekrutieren. Auch erwartet Müller eine stärkere Rolle Brandenburgs – dem stehe der Aufsichtsratsvorsitz zu, betont er. Wichtige Unterstützer Müllers in der Berliner SPD erwarten ebenfalls, dass er „darauf achten wird, dass Brandenburg im Aufsichtsrat eine größere Rolle spielen wird, damit nicht alles an Berlin hängen bleibt“.


Quelle: Der Tagesspiegel

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Das Rote Rathaus im Herzen Berlins.

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