Das „Bett“ steht im hinteren Zimmer, von dem aus man auf den winterlichen Obersee blickt. Joerg Waehner (54) könnte auf der Konstruktion aus Schlafsack, Isomatte, einer Art Baldachin und einem Stuhl wirklich schlafen. Unterlegen nennt er dieses Objekt – und es ist nur eines von vielen, die der Künstler und Schriftsteller in den letzten Tagen ins Mies van der Rohe Haus geschafft hat. Das Baudenkmal wurde vom berühmten Architekten Ludwig Mies van der Rohe 1932/33 als privates Wohnhaus für das Ehepaar Lemke entworfen. Waehner will nun die historische Bestimmung des Ortes wiederaufleben lassen. In der DDR war das Haus von der Stasi zweckentfremdet worden, seit seiner Sanierung Anfang der 2000er dient es als Ausstellungsfläche.
MIES wohnen – Die Homestory nennt der Künstler seine Performance, die an Neujahr begann. Seither hält er sich täglich in dem Flachbau mit den großen Fenstern auf, arbeitet am Interieur oder sitzt an seinem großen Schreibtisch. Der ist aus vielen Holzplatten und –würfeln zusammengesetzt, ohne Schrauben oder Kleber. Es ist ein durchgängiges Muster in Waehners Projekt: Aus einfachen Gebrauchsgegenständen macht er etwas Neues, gibt ihnen womöglich eine zusätzliche Funktion. Außerdem bezieht sich der Künstler auf Mies van der Rohes Architektur, wie etwa durch die Fotografien, die Licht- und Schatteneffekte im Gebäude zeigen.
Mies(e) Mode und Zigarren
Für die gut zweiwöchige Besetzung gibt es ein Programm, aber was genau passiert, weiß auch Waehner nicht: „Ich lasse mich von den Gesprächen und der Umgebung inspirieren“, so der „Hausherr“ gegenüber QIEZ. In der nächsten Woche wird er sich gemeinsam mit Kollegin Ophelia Beckmann an die Entwürfe für das Label Mies(e) Mode machen. Am Freitag ist Tanztee mit DJ, Dichter und Punk Henryk Gericke. Besonders gespannt darf man auch auf die „Herrenabende“ sein: „Die Grundidee war eigentlich, dass man entspannt sitzt, raucht und trinkt, möglichst Whisky und gute Zigarren“, erklärt Waehner. Die Gestaltung der Abende überlässt er weitgehend befreundeten Künstlern, die er zu diesem Zweck eingeladen hat. Übrigens sind die Veranstaltungen öffentlich und ausdrücklich auch für Frauen gedacht.
Joerg Waehner ist ein alter Freund des Mies van der Rohe Haus, denn er war unter anderem an der Rekonstruktion nach der Stasi-Nutzung beteiligt. Deshalb wird der Besetzer am 17. Januar nach Endabnahme und Räumungsverkauf das Haus wieder seiner Leiterin Dr. Wita Noack übergeben. Es sei denn, er kann sich vom idyllischen Blick auf den Obersee nicht losreißen.
Noack und Waehner haben sich auch schon Gedanken über die Zukunft des Hauses gemacht: Beide unterstützen den Plan, auf dem ursprünglichen Doppelgrundstück in der Oberseestraße 60 ein aus zwei Pavillons bestehendes Besucherzentrum einzurichten. Dort könnten der Eingangsbereich, ein Shop, ein Café, Büros und Tagungsräume entstehen. Das Mies van der Rohe Haus stünde wieder für sich selbst und würde auf andere Weise wahrgenommen, wie Waehner findet. Ob dieses Projekt die nötige finanzielle und politische Unterstützung findet, ist allerdings noch offen.
MIES wohnen – die Homestory läuft noch bis zum 17. Januar. Das Haus ist von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr, bei Sonderveranstaltungen länger geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos findest du auf der Webseite von Joerg Waehner.