Strausberger Platz 16 in 10243 Berlin, 1. Stock – dort steht eine frisch sanierte Dreizimmer-Wohnung leer und wartet darauf, dass endlich Leben einzieht. Am 1. Mai 2015 wird jemand mit Sack und Pack beladen aus dem Fahrstuhl steigen, die Wohnung einrichten und das alte Zeitungspapier, in dem Omis gutes Geschirr mitgezogen ist, in den Müllschlucker im Hausflur schmeißen. Naja, vielleicht auch erst ein paar Tage später, wenn der auf dem MyFest genährte Kater vom 1. Mai sich verzogen hat. Denn eins ist sicher: In dieser Wohnung wird kein Stubenhocker wohnen, sondern jemand, den die Lebendigkeit der Stadt begeistert, jemand, der viel erfahren möchte und seine Erlebnisse in der Nachbarschaft in einem Blog mit der Welt zu teilen bereit ist.
73 Quadratmeter, Badewanne und eine strenge Jury
Der Lotteriegewinn ist so ziemlich das, wofür sich derzeit in Friedrichshains Straßen Wohnungssuchende schon lange vor dem Beginn eines Besichtigungstermins stapeln: Drei helle Zimmer, Küche mit Herd und Spüle, Bad mit Wanne, Blick auf den Strausberger Platz und den Fernsehturm inklusive. Und dazu kommt natürlich die unschlagbare Miete von nullkommanix.
Seit dem 16. Februar kann man sich um den Einzug bewerben. Das geht mit einem Essay in deutscher oder englischer Sprache, der erklärt, warum man „im pulsierenden Berlin am Strausberger Platz“ wohnen möchte, wie es in der Ausschreibung formuliert ist. Die besten Chancen auf den Sieg hat, wer dynamisch, kreativ, unkonventionell, kommunikativ und kosmopolitisch wirkt. Klingt gar nicht mal so leicht … Aber schließlich sollen die Bewerber auch beweisen, dass sie auf Dauer einen spannenden Blog produzieren können.
Nicht die erste Lotterie am Platz
Mit ihrer Verlosung tritt die Skjerven Group in historische Fußstapfen. Im Jahr 1952 begannen DDR-Bürger die Bauten an der Karl-Marx-Allee mit aufzubauen. Für 300 Arbeitsstunden oder 100 Halbschichten wurde ihr Name in den Lostopf um eine der neu entstehenden Wohnungen in den so genannten Stalinbauten geworfen. Rund 40.000 Freiwillige packten daraufhin beim Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg mit an. Angeblich ist neben Trümmerfrauen und Arbeitern auch Bertolt Brecht unter den Helfern gewesen.
Vor diesem Hintergrund wirken die heutigen Teilnahmebedingungen doch gleich viel einfacher zu bewerkstelligen – es geht zwar um den Aufbau eines Blogs, aber wenigstens steht das Dach, unter dem man ihn produzieren darf, schon. Und Bertolt Brecht hätte wohl auch lieber mit seiner Kreativität als mit Muskelkraft überzeugt.
Bewerben kann sich ab sofort und noch bis zum 23. März 2015 jeder, der über 18 Jahre alt ist. Anfang April gibt es Bescheid darüber, wer ab dem 1. Mai ein Jahr lang mietfrei am Strausberger Platz unterkommt. Zur Bewerbung und weiteren Informationen geht’s hier.