Ausgerechnet an diesem Nachmittag hat die Rote Rose zu. Dabei ist die Kreuzberger Kult-Kneipe eigentlich 24 Stunden am Tag offen. Aber die beiden Jungs von Milliarden erzählen uns auch ohne ein Bier, was der Ort für sie bedeutet: Da hatte Johannes seinen ersten richtigen Absturz in Berlin. Und hat Ben beim Pinkeln fast auf die Schuhe gekotzt. „Eigentlich kommst du vom Dorf – du musst das doch gewohnt sein“, scherzt Ben. Johannes hat das Phänomen schon beobachtet und weiß, was schief gelaufen ist: „Ja, aber ich glaube hier ist irgendwas im Berliner Kindl.“
Eigentlich kommt er aus der Nähe von Bielefeld, Ben aus Hellersdorf. Kennengelernt haben sie sich beim Casting für eine Schauspielschule in Bochum. Ben wurde genommen, Johannes nicht. Also geht Ben nach Bochum und Johannes bekommt den Platz an der Berliner UdK, den Ben nicht wollte. Fünf Jahre später haben beide ihr Studium geschmissen und machen genauso lange gemeinsam Musik – Deutsch-Pop-Melodien mit Punk-Attitüde.
Johannes startete mit sechs Jahren mit einer klassischen Klavierausbildung, Ben hat sich ab dem 12. Lebensjahr von der Schülerband bis zur Punkband durchgespielt. Gerade dudeln ihre Songs im Radio hoch und runter, sie sind als hoffnungsvollste Newcomer für den Preis für Popkultur 2016 nominiert und zählen nach über 100 Auftritten auf Fernseh-, Club- und Festivalbühnen schon richtige Fans. Mit Ende 20 werden sie für ihre handgemachte Musik gefeiert – und sind trotzdem chronisch pleite.
Ihr Grundeinkommen verdanken die zwei ihrem Job als Lagerarbeiter. „Wir gehen zwei Tage in der Woche da arbeiten, der Rest bleibt uns für die Musik. Ich weiß eigentlich gar nicht, wie wir das gerade machen“, lacht Johannes. Gut, dass die beiden sympathischen Jungs einen guten Draht zum Kreuzberger Barpersonal haben. Denn: „Klar, wir arbeiten viel. Aber wir gehen auch viel aus“, sagt Ben bei einem Rührei im Café Jenseits. Abends geht es meist erstmal zum Späti, dann weiter in die Kneipe zu Bier, Wodka, oder was der Abend sonst bringt. Zum Beispiel gleich um die Ecke im Roses: „Das sind gute Leute, rosa Plüsch und Game Over.“ Zum Tanzen steht auch mal die Burg Schnabel auf dem Programm.
Aber egal wo: Meist trifft man die Jungs zusammen. „Mit uns beiden, das ist fast wie eine Beziehung„, sagt Johannes. Nur eine Wohnung teilen sie sich nicht. Trotzdem hängt Ben meist beim Kollegen im SO 36 rum statt zuhause in Friedrichshains Südkiez. Sonst: gleiche Jobs, gleiche Kneipen, gleicher Freundeskreis. Der ist übrigens auch Teil von Milliarden. „Unsere Musiker sind unsere besten Freunde„, erzählt Ben. Klar, Ideen und Texte liefert das Duo. Die anderen dürfen im Lichtenberger Proberaum aber auch mitreden. Und sind live natürlich nicht wegzudenken. Nur müssten sie – im Gegensatz zu den beiden Frontmännern – auch noch Geld verdienen, scherzen die Jungs.
Und wenn sie nicht gerade zusammen Musik machen oder in der Kneipe sitzen? Ben geht gerne ins Theater, genießt einen Happen an den Ständen der Markthalle Neun und am Sonntag „den besten Brunch“ im Nest. Oder er macht es sich im Prater gemütlich. Weil den 29-Jährigen da so ein angenehmes Kindheits-Feeling überkommt.
Johannes steht mit seinen 27 Jahren in Sachen Auszeit eher auf Sakrales. Denn plötzlich sitzen wir mitten in der ruhigen Thomaskirche vor seiner Haustür. Und lernen sogar noch was: Das Gotteshaus war mal die größte Kirche der Stadt – bis vor 150 Jahren der Berliner Dom gebaut wurde.
Apropos, wenn man so viel aufeinander hängt und so schnell Erfolge feiert, wie geht es mit Milliarden weiter? „Ich glaube, wir machen mindestens fünf Alben. Würde mich auch nicht wundern, wenn wir das noch 20 Jahre machen“, sagt Johannes. Na, dann haben wir ja noch so einige schöne Stücke wie das hier vor uns:
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