„Ich wohne in einem Schloss, angemietet, 50 Quadratmeter groß“, singt Mine auf ihrem neuen Album Klebstoff, das ab dem 12. April zu haben ist. Und weiter: „Ich fühle mich wie King, auch wenn ichs nicht bin.“ Ist sie nicht? Wir gucken mal und treffen die Sängerin auf einen Kiezspaziergang. Als Ort dafür schlägt sie den Volkspark Friedrichshain vor. Hierher kommt die Wahl-Friedrichshainerin eigentlich eher zum Joggen, manchmal wählt sie dafür auch den Treptower Park. Das heißt, wenn sie mal in Berlin ist und nicht auf Tour oder im Studio auf dem Land. „Ich habe so viel Energie, ich brauche Sport. Sonst werde ich wahnsinnig.“ Daher ist die Bewegung eine der drei Konstanten in Mines Freizeit. Der perfekte Kontrast zum Couchen mit Freunden, was sie als bekennender Film- und Serien-Fan besonders zelebriert. Und dann wäre da noch die Musik in ihrer ganzen Bandbreite. Mine besucht nämlich nicht nur jede Woche Konzerte in Berlin, die Sängerin und Multiinstrumentalistin schreibt, singt und produziert auch selbst.
Hip Hop, Jazz, Metal – was kann Mine eigentlich nicht?
Multinstrumentalistin, das sagt nicht Mine, das sagen wir. Auf welche Idee sollten wir auch sonst kommen bei einer Frau, die mehr als 100, teils exotische, Instrumente ihr Eigen nennt, die sie in ihrer kleinen Wohnung und in ihrem Keller hortet und über die sie sagt: „Ich kaufe mir nichts, was ich nicht auch benutze.“ Kein Wunder also, dass Mines Liveauftritte berüchtigt sind für den Einsatz verschiedener Instrumente. Vielseitig sind aber auch Mines Songs. Die laufen zwar unter dem Label Pop, bieten aber noch viel mehr – Mine hat ein ganzes Album mit dem Rapper Fatoni produziert, mit neun Jahren in einer Schülerband Rap à la Tic Tac Toe gemacht, später in einer Metalband am Schlagzeug gesessen und schließlich Jazzgesang an der Hochschule für Musik in Mainz studiert. „Ich will mich selber nicht eingrenzen“, sagt sie dazu nur, als ob es selbstverständlich wäre, dass man irgendwie alles gut kann. Und zum Studium an der Jazz-School sei sie eh nur gekommen, weil sie eigentlich Musiklehrerin werden wollte und das der Studiengang mit Schwerpunkt Musik war, für den sie eben an der Uni angenommen wurde.
So oder so: Jetzt, da Mine hauptberuflich Musik macht und sich nicht mehr mit Nebenjobs wie dem bei Lidl an der Kasse über Wasser halten muss, kann sie da überhaupt noch unbedarft ihrem Hobby frönen und die Konzerte von anderen Musikern*innen ganz unvoreingenommen genießen? Ja, sagt sie, wenn man eben nicht analysiert, was man da vor sich hat: „Das ist, glaube ich, das Allerwichtigste: Man muss seine Professionalität ausschalten, sonst hat man keinen Spaß. Man muss sich von seinem Fühlen leiten lassen. Das Einzige, was zählt, ist, ob ich bei einem Song Gänsehaut bekomme oder nicht.“
Gänsehaut, die verursachen auch Mines eigene Songs, viele Texte gehen unter die Haut, denn sie sind unmittelbar und absolut persönlich. Sie handeln von der Liebe, dem Kampf mit sich selbst oder dem Verhältnis zum eigenen Vater. Warum die Musikerin so viel von sich preisgibt? „Ich mache das in meiner Musik, was mir sonst schwerer fällt. Ich bin niemand, der mit seinen Problemen unbedingt hausieren geht. Also ich rede mit meinen engen Freunden sehr viel Deeptalk. Aber wenn es mir wirklich nicht so gut geht, dann bin ich am liebsten alleine für mich. Und in meinen Songs kann ich eben da drüber reden.“
Und andere können sich mit eben diesen Texten super identifizieren. Diese Frau sieht so typisch Berlin aus und besingt so typische Problemfragen mit einer Mischung aus Heiterkeit, Groove und Ernsthaftigkeit, mit Worten, in denen wir auch mit unseren Freunden quatschen, dass sie die „Millenials“ quasi perfekt darstellt – auf eine sympathische Art. Und Mine selbst liefert dafür auch die Erklärung: „Wir sind die erste Generation, die die Ehre hat, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu dürfen. Es gibt nicht so viel um uns herum, das uns so sehr einschränkt, dass wir uns die Zeit dafür nicht nehmen können. Die Erziehung war bei unseren Eltern noch nicht so, dass man das Gefühl hätte, die wussten genau, was sie tun. Aber wir sind so weit, selbstfindungsmäßig und reflektiert damit umzugehen. Ich glaube, das ist das Ding der Leute, die in den Achtzigern geboren sind. Daher kommt das vielleicht.“
Aber Achtung: Mit „typisch Berlin“ meinen wir Mines Look und ihre Attitude, die in die Großstadt passen wie die Faust aufs Auge. Und das obwohl die 33-Jährige vom Dorf in Baden-Württemberg kommt. Aber: „Das Dorflife war einfach nicht so meine Welt. Ich mag die Ruhe, aber ich bin kein Dorfmensch. Ich hab da nie so richtig reingefunden.“ Das ging schon damit los, dass in der Heimat der Musikerin jeder Mensch belächelt wird, der nicht einen bodenständigen Beruf wie Schreiner ausüben möchte und reicht bis zu Klassentreffen, auf denen die anderen der unverheirateten Jasmin Stocker, so Mines richtiger Name, auf die Schulter klopfen und sagen: „Das wird schon noch.“
Berlin scheißt auf Zivilcourage
Gut, dass der Klassiker vom Leben im Haus mit Kind in Berlin nicht zum Standard gehört. Dass Mine hier als selbsternannte Snack-Queen am Herd stehen und Futter für das Binge Watching mit den Freunden vorbereiten kann statt den Sonntagsbraten für den Ehemann, so lange sie das eben möchte. Denn Mines Vorstellungen vom Leben gelten da, wo sie herkommt, als weird. Mine dazu: „Auf dem Dorf ist es halt so: Egal welche Meinung ich hab, sie ist immer anders. Und in Berlin eben nicht. Oder auch in anderen Städten nicht.“ Sie kritisiert aber auch die Kehrseite der Freiheits-Medaille: „Man merkt, dass in Berlin auf Zivilcourage insgesamt ein bisschen geschissen wird, weil man einfach Augen und Ohren zumacht. Weil man selber genug Probleme hat.“
Übrigens zelebriert die Musikerin ihr Leben als „Couchie“ auch, wenn sie selbst keine Lust auf Kochen hat: „Ich bin eher so der Besteller. Zum Beispiel finde ich das Like Thai mega geil. Der ist vegan und trotzdem schmeckt jedes Gericht einfach brutal geil und er ist voll günstig.“ Eine weitere Empfehlung ist das Seoul Kitchen, ein Koreaner an der Warschauer Straße, bei dem die Qualität auf jeden Fall über den unfreundlichen Service hinwegtröstet. Wenn es doch mal etwas Flüssiges sein darf, findet man die Genusstrinkerin bei einem Whisky Sour in der Bar Kirk am Schlesi.
Und dann entdecken wir plötzlich noch eine ganz andere Seite von Mine: Nachdem die Künstlerin die ganze Zeit lässig gequatscht und ganz Streetgirl für uns gepost hat, kommt sie auf einmal mit einer Serienempfehlung der besonderen Art um die Ecke: „Ich liebe Trash. Ich habe gerade an zwei Tagen alle Folgen Temptation Island durchgeguckt und ich sage euch: Das ist Beste!“ Bei einem Reality-Format würde sie laut eigener Aussage „nicht für eine Million Euro“ mitmachen. Ein dunkles Geheimnis gesteht sie uns dann aber doch lachend: „Als Schlagersängerin heiße ich Stefanie Stern. Ich finde Schlager furchtbar aber irgendjemand hat mal zu mir gesagt: ‚Schlager schreiben ist voll schwer, mach das erstmal selber.‘ Dann hab ich einen geschrieben, nur um zu gucken, ob ich’s kann. Und ich kann’s.“
Wir haben auch nichts anderes erwartet! Bis wir für diesen garantiert fantastischen Hit bereit sind, hören wir uns aber erst einmal weiter durch das aktuelle Album Klebstoff von Mine, der wir mit dem größten Vergnügen unser Berliner Königreich zu Füßen legen.
Noch mehr Infos findest du auf der Website von Mine. Da kannst du auch das neue Album Klebstoff bestellen. Außerdem steht Mine zum Konzert am 10. Mai im Huxley’s in Neukölln auf der Bühne.