Bähm, was hat dieser Mann mit Hosenträgern und dieser komischen Frisur bloß für eine Aura! Entgegen aller Erwartung überhaupt keine dunkle oder gar angsteinflößende – sondern vielmehr eine, die einem sofort das Gefühl vermittelt: Alles ist gut, du kannst dich entspannen. Jan Becker wollte sich mit mir gern auf einen Kaffee im Salotto treffen, weil das kleine Café auf der Wörther Straße einer seiner Lieblingsorte im Kiez ist. „Ich mag die Kaffeekultur im Viertel, ein bisschen so wie in den 20er-Jahren, das Leben wird wieder zelebriert“, erklärt der Gedankenleser. „Ich bin mit meinen Bühnenprogrammen viel unterwegs, aber das, was wir hier haben, ist mit anderen Städten nicht zu vergleichen. Wo andernorts eine Einkaufscentermentalität herrscht, wird bei uns Wert auf kleine Boutiquenläden und Cafés gelegt. Das finde ich fantastisch.“
Lieblingsorte im Kiez
Zu seinen bevorzugten Orten zählen auch die Bar Gagarin („Wodka Sour ist mein Lieblingsgetränk“), die Weinbar Sorsi e Morsi, die Buchhandlung Mandala („Hier kaufe ich ab und zu Pendel“) und das Pasternak wegen seines tollen Sonntags-Brunchs und der halbmelancholischen und doch bunten Atmosphäre. Zum konzentrierten Arbeiten oder Entspannen geht’s ins Soho House oder er fährt raus nach Caputh an den Schwielowsee. Seit acht Jahren lebt der in Neunkirchen, in der Nähe von Saarbrücken, geborene Becker mit seiner Familie im Kiez zwischen Wasserturm und Helmholtzplatz – wo genau, will er lieber nicht verraten. Dafür aber, dass er sich rundum wohl fühlt. „Ich bin hier zu Hause. In meinem Kiez steht der Genuss im Vordergrund, das gefällt mir. Das Einzige, was ich nicht so gerne mag, ist das Planieren der Straße, dass alles zu glatt wird. Kaputte Straßen bringen Babys doch so toll zum Schlafen“, lacht der Vater eines 14-monatigen Kindes. „Es sollte nicht zu clean werden!“
Natürlich wollte ich auch wissen, ob er eigentlich permanent auch meine Gedanken lesen und mich hypnotisieren könne. „Jeder Mensch ist hpynotisierbar. Schließlich fällt der Mensch rund 30 Mal am Tag in eine Art Trance, zum Beispiel beim Lesen eines Buches oder beim Liebe machen, man schaltet einfach ab – und nichts anderes ist die Hpynose“, erklärt Becker. Oft werde ihm gesagt, dass die Leute Angst hätten, ihm in die Augen zu schauen, wegen des Gedankenlesens. Schließlich könne er das Gedankenlesen auch nicht abstellen, es wäre permanent da. Nach einem kleinen Experiment, bei dem ich fest an meine beste Freundin denken soll und deren Namen er anschließend sofort auf einen Zettel schreibt, bin ich restlos überzeugt von seinen Fähigkeiten. „Ich habe keine übersinnlichen Kräfte, eher sinnliche Kräfte“, schmunzelt er. „Ich nutze die Prinzipien der menschlichen Psyche.“
Inspirationen und verrückte Experimente
Schon in seiner Kindheit, mit etwa zwölf Jahren, beschäftigte ihn das Buch „Das Gedankenlesen“ des Berliner Hellsehers Erik Jan Hanussen. „Damit fing alles an“, sagt der 37-Jährige. „Es hat einfach geklappt. Das war so, als hätte es auf mich gewartet.“ Im Selbststudium und einer Umenge an Literatur bildet sich Becker seitdem stets weiter und es vergeht kein Tag, an dem er nicht in einem Buch die Themen Hypnose oder Gedankenlesen studiert. „Das ist für mich wie ein Farbkasten für den Maler, daraus ziehe ich mir Inspirationen für meine Bühnenprogramme“, erklärt er. Schließlich steht der Mentalmagier bereits seit 20 Jahren auf der Bühne, hat zwei Bücher veröffentlicht. Das öffentliche Interesse stieg besonders, nachdem er im März 2009 bei der RTL-Show „The next Uri Geller“ gewann.
Auch von vielen verrückten Experimenten kann der Wahlberliner berichten: Massenhypnose am Potsdamer Platz mitten in der Rush Hour etwa oder wie er dem Fußballteam von Borussia Mönchengladbach im Stadion völlig überraschend zum Sieg verholfen hat. „Das war auch eines meiner persönlichen Highlights“, sagt er. Eines würde er aber garantiert nicht noch mal machen: „Fallschirmspringen aus 4000 Metern, ohne zu wissen, ob der Fallschirm aufgeht. Das war einfach Wahnsinn“, lacht er.
Und wenn er in die Zukunft des Kiezes blicken könnte? „Ich glaube, in zehn Jahren ist Prenzlauer Berg ein Party-Kiez“, prophezeit er. „Die jungen Leute hier sind dann im Teenageralter, es wird eine geballte Jugendkultur geben und wenn nicht alle wegziehen, dann werden sie sich hier eine Clubkultur aufbauen.“
Lesen Sie demnächst in unserer Reihe „Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez“: Annabelle Mandeng.
Weitere Artikel aus der Serie: