Alles drängelt, nichts geschieht. Alle beteuern die Dringlichkeit, arbeiten auf Hochtouren, aber das Museum der Moderne am Berliner Kulturforum bleibt ein Wolkenkuckucksheim. Ein Projekt, das in dieser Legislaturperiode nicht konkret angegangen wird. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls, wer mit denen spricht, die für Kultur im Bund zuständig sind. Es ist der Bundestag, der am Ende entscheidet. Auf der Tagesordnung steht das Museum bei den aktuellen Haushaltsberatungen allerdings nicht. Ein Armutszeugnis. Berlin, die Hauptstadt der Moderne mit einer grandiosen Kunstsammlung der Moderne, kann seine Schätze des 20. Jahrhunderts seit Jahrzehnten nicht angemessen präsentieren.
Es handelt sich um jene Kunst, die in der dynamischen Hochzeit der Moderne zwischen den Weltkriegen und davor in Berlin entstanden ist. Vieles davon wurde durch die Nazis vertrieben, vernichtet. Umso kostbarer das, was es noch gibt, von Beckmann, Kirchner, Liebermann, Dix und Grosz, um nur einige zu nennen. Auch die Kunst der DDR gehört zu den Beständen, Heisig, Tübke, Mattheuer, Freidenker wie Via Lewandowsky. Nicht zuletzt diese Schätze machen das Kulturforum „zum Kristallisationspunkt der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts“, wie Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen, es im Museumsstreit 2012 formuliert hat. 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, 25 Jahre nach dem Mauerfall ist Berlin dieser Historie besonders verpflichtet.
Einjährige Funkstille
Anruf bei der Behörde von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Im August hatte sie sich gewünscht, dass der Bund beim Moderne-Museum „nicht allein dasteht, sondern es auch ein Mitwirken von der privaten Seite und von Berlin gibt“. Seltsamer Satz: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Träger der Staatlichen Museen liegt in der Hand des Bundes. Offenbar will Grütters die Öffentlichkeit schonend darauf vorbereiten, dass die Sache sich vorerst nicht realisieren lässt, jedenfalls nicht auf dem Dienstweg.
Kurzer Blick zurück: Nach den öffentlichen Protesten gegen einen Umzug der Alten Meister an die Museumsinsel und die Umrüstung der Gemäldegalerie am Kulturforum zum Museum der Moderne hatte Grütters’ Amtsvorgänger Bernd Neumann eine Vergleichsstudie zur Standortfrage in Auftrag gegeben. Die anschließende Empfehlung der Stiftung, für die Moderne einen 170-Millionen-Euro-Erweiterungsbau hinter der Neuen Nationalgalerie ins Auge zu fassen, ist nun fast ein Jahr alt. Seitdem herrscht Funkstille. Abgesehen von Grütters’ Plädoyer für einen alternativen Standort direkt am Kulturforum. Und von gelegentlichen Appellen des Stiftungs-Präsidenten Hermann Parzinger. Er hofft auf eine „gemeinsame Richtungsentscheidung“ mit dem Hause Grütters noch in diesem Jahr.
Nun sagt Grütters’ Pressesprecher am Telefon, bevor das Thema ins Parlament komme, müsse es im Bundeskulturausschuss verhandelt werden. Also Anruf beim Kulturausschuss. Dort war Parzinger zuletzt am 19. März zu Gast. Wegen der zahlreichen Bau- und Sanierungsprojekte der Stiftung (Pergamonmuseum, James-Simon-Galerie, die Sanierung des Mies-Baus), nicht speziell wegen der Platznot bei der Moderne. Auch nicht wegen der dringlichen Frage, ob Berlin die als Schenkung zugesagte Surrealisten-Sammlung Pietzsch verliert und sie nach Dresden wandert. Mehrfach hatte das Sammlerpaar signalisiert, es sei des Wartens auf die in Aussicht gestellte Integration in eine erweiterte Moderne-Präsentation allmählich müde. Auskunft des Ausschuss-Büros: Der Kulturausschuss behandelt Themen nur dann, wenn die Kulturpolitiker der Fraktionen sie auf die Tagesordnung setzen.
Also Anruf bei Marco Wanderwitz, dem kulturpolitischen Sprecher der CDU. „Unser Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode ist die Fertigstellung und inhaltliche Ausgestaltung des Humboldtforums“, sagt Wanderwitz. Die Finanzierung des wachsenden Schlossbaus sei gesichert, für Intendanz und Programm jedoch noch kein Cent in den Bundeshaushalt eingestellt. Prioritär sei auch die Sanierung der Neuen Nationalgalerie. Die erste Tranche dafür ist im Entwurf für den Kulturhaushalt 2015 eingeplant. Gelder für Schritte in Richtung Moderne-Museum, etwa einen Ideen- und Architektenwettbewerb, sind bislang nicht vorgesehen.
Anruf beim Große-Koalitions-Partner, dem kulturpolitischen Sprecher der SPD, Martin Dörmann. „Wir sehen die drängende Problematik“, sagt Dörmann, spricht aber ebenfalls von einer Prioritätenliste, deren Rangfolge er nicht verrät. „Wir sind mitten im Prozess.“ Er stellt auch die Frage, was angesichts des hohen Finanzbedarfs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz darüber hinaus realistisch sei. Klingt nicht gerade so, als ob Dörmann ein Streiter für die Sache der Moderne in Berlin sei.
Auch Berlin unterstützt das Projekt – aber nicht mit Geld
Berlin verschlingt 400 Millionen Euro des Bundeskulturetats in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Warum auch nicht, Berlin ist Hauptstadt, Kulturhauptstadt. „Die besondere Verantwortung des Bundes in Berlin ist eine dauerhafte Aufgabe, der Hauptstadtfinanzierungsvertrag ist langfristig auszugestalten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Wobei sich die Haushälter eher für Schloss, Antike und Alte Meister erwärmen lassen als für die Moderne.
Bei der Preußen-Stiftung selber scheint es genauso zu sein. Für einen Umzug der Gemäldegalerie, für den Museumsinsel-Masterplan oder die Mischung von Malerei und Skulptur wirbt die Stiftung mit dicken Wälzern und schicken Broschüren. Nicht jedoch für die Vision des Kulturforums als Museumsinsel der Moderne. Der nächste Kommunikations-GAU: Warum rührt Udo Kittelmann als Hüter der Moderne-Schätze nicht täglich die Werbetrommel? So bleibt das Kulturforum wohl noch lange eine schreckliche Großstadtbrache, kann Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher immer schön achselzuckend auf den Bund verweisen.
Ende November wird der Bundeshaushalt 2015 stehen. Das Museum der Moderne wird wohl nicht darin vorkommen und die Moderne in Berlin ein noch kümmerlicheres Dasein führen, wenn der Mies-Bau zum Jahresende geschlossen wird. Bleibt die Hoffnung auf ein Wunder. Vielleicht gibt es ihn ja, den privaten Mäzen, den Grütters sich wünscht.