Ein großer Raum mit hoher Decke, in dem lange Tische stehen. Auf den ersten Blick wirkt die Haupthalle des Deutsch-Russischen Museums wie ein gediegener Speisesaal, ein Refugium großer Würdenträger. Gegessen und getrunken wurde hier sicherlich auch, aber vor allem ist es ein Ort von welthistorischer Bedeutung. Die Nationalflaggen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs schmücken die Wand, auf dem Tisch darunter steht ein altes Standmikrofon. Was an dieser Stelle geschah, besiegelte das Ende eines sinnlosen Krieges und einer langen Leidenszeit. Am 8. Mai 1945 unterzeichneten die deutschen Generäle Wilhelm Keitel, Hans-Georg von Friedeburg und Hans-Jürgen Stumpff hier die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Hier, ein paar Kilometer östlich der Rummelsburger Bucht, endete der Zweite Weltkrieg in Europa.
Eine wechselhafte Geschichte
Das Gebäude des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst wurde in den Dreißiger Jahren erbaut und diente zunächst der Wehrmachtspionierschule als Offizierskasino. Nach Kriegsende und der Einnahme der Stadt durch die Rote Armee im Mai 1945 funktionierte es die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) zu ihrem Hauptsitz um, der sich bis 1949 in Karlshorst befand. Im selben Jahr wurde das Gebäude an die Regierung der DDR abgetreten, die darin ein Museum einrichtete. In Kooperation mit dem “Zentralen Streitkräftemuseum“ in Moskau entstand bis 1967 das “Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands im Großen Vaterländischen Krieg“. Es war bis 1994 im Gebäude untergebracht. Nach der Wende und dem Abzug der russischen Truppen aus Deutschland einigten sich Russland und die Bundesrepublik darauf, in Karlshorst gemeinsam einen Ort der Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Krieg zu schaffen. Im Mai 1995, anlässlich des 50. Jahrestages der deutschen Kapitulation, wurde das Deutsch-Russische Museum eingeweiht.
Das Erdgeschoss des Museums besteht fast ausschließlich aus den zum Teil wiederhergestellten historischen Räumen von 1945. Neben dem Kapitulationssaal ist das ehemalige Arbeitszimmer des Generalstabschefs der Roten Armee, Georgij Schukow, zu sehen. Dieser nahm in der Nacht zum 9. Mai 1945 die deutsche Kapitulation entgegen. In einem Nebenraum befindet sich das 1967 entstandene Diorama “Sturm auf den Reichstag“ des russischen Militärmalers Michail Ananjew, das durch eine klangliche Untermalung und plastische Elemente im Vordergrund den Eindruck von Kriegslärm und Schlachtgetöse vermitteln soll. Die Erstürmung des Reichstagsgebäudes war für die sowjetische Regierung das zentrale Symbol für den Sieg über das faschistische Nazi-Deutschland.
Das Grauen, das die Deutschen brachten
Der größte Teil der Dauerausstellung ist auf der ersten Etage untergebracht. Hier informieren Texttafeln, Audioinstallationen und eine Anzahl von Originalexponaten über die deutsch-sowjetischen Beziehungen zwischen Oktoberrevolution und Mauerfall im Allgemeinen und den deutsch-sowjetischen Krieg zwischen 1941 und 1945 im Besonderen. Beginnend mit dem Bruch des Hitler-Stalin-Pakts und endend mit der Aufteilung des deutschen Staatsgebiets in vier Sektoren, zeichnet die Ausstellung den Verlauf des Russlandfeldzuges, den Wendepunkt des Krieges und schließlich den Sieg der Roten Armee über die Wehrmacht nach. Im Mittelpunkt dieser Zeitreise stehen die Schicksale der Millionen von Menschen, die durch barbarische Anordnungen und Befehle der deutschen Militärführung erniedrigt, gequält und ermordet wurden: Kriegsgefangene, Partisanen, Juden, Roma, Kranke und andere Zivilisten. Neben weiteren Exponaten, die den Sadismus der SS grausam vor Augen führen, sind drei winzige Kinderschuhe zu sehen, die im Konzentrationslager Majdanek-Lublin gefunden wurden.
Die Ausstellung endet im Kellergeschoss. Hier werden vor allem die unmittelbaren und langzeitlichen Auswirkungen des Krieges thematisiert: Die Gesamtzahl der Toten und Kriegsversehrten, Verdrängung, Aufarbeitung und Entschädigungen sowie die Anerkennung von Leidensgeschichten, Entnazifizierung und Strafen, Rückkehr deutscher Kriegsgefangener, Heimatverlust, bis hin zur Teilung Deutschlands in zwei Staaten und zwei Gesellschaftssysteme.
Als Abschluss des Besuchs im Deutsch-Russischen Museum bietet sich ein Spaziergang durch die Gartenanlagen des Gebäudes an. Neben einer Gedenktafel für die Heldentaten der sowjetischen Armee in kyrillischer Schrift sind einige russische Panzer zu sehen, die als stumme Zeitzeugen von der Zurückdrängung der Wehrmacht aus Osteuropa und der Einnahme Berlins berichten.