Ob im Schulunterricht, im Fernsehen oder auf der Bühne: An dem Shakespeare-Klassiker „Romeo & Julia“ führt kein Weg vorbei. Kein Wunder, es ist ein zeitloses Liebesdrama um zwei Teenager in Verona, das auf tragische Weise endet: mit dem Tod. Die Neuinszenierung im Theater des Westens nimmt das herzzerreißende Ende vorweg – und so liegen die beiden jungen Liebenden bereits in der Anfangsszene tot unter einem Laken. Die übrigen Darsteller*innen bilden einen Kreis um sie und singen im Chor. Auch wenn man so eine Szene eher im Finale erwarten würde, funktioniert sie wunderbar als ergreifender Einstieg, der dich direkt in die Story führt.
Ganz überraschend setzen die folgenden Szenen des ersten Teils des Musicals dann aber nicht auf Tränen und Trauer, sondern punkten vor allem mit einer ordentlichen Portion Komik. So weint Romeo – gespielt von Paul Csitkovics – eigentlich seiner großen Liebe Rosalinde hinterher, doch als er kurz darauf Julia auf einem Ball kennenlernt, – gespielt von Yasmina Hempel – ist der Herzschmerz schon vorüber. Selbst die berühmte Balkonszene wird mit viel Humor dargestellt, die Handlungen und Emotionsausbrüche sind deutlich übertrieben und typisch für Teenager-Gefühle, die immer ein wenig zu groß, zu tief und zu echt sind.
Der Komponist Ulf Leo Sommer sagt: „Als wir in den Stoff eingetaucht sind, hat uns die Geschichte vom ersten Verliebtsein total gepackt – samt Erinnerungen an eigene schmerzhafte Erfahrungen. Dieser Liebestaumel, das Gefühl, man würde seinen rechten Arm dafür hergeben, dass man den Liebsten sehen kann! Das bleibt immer im Kopf als ‚die große Liebe’ – gerade wenn sie dramatisch war. Wenn man älter wird, stellt sich heraus, dass das Leben natürlich trotz Kummer immer weitergeht. Aber als Teenager weiß man das nicht.“
Es geht also vor allem um Hormone, die verrückt spielen. „Ach, das sind die Hormone“, lautet auch der Titel des unserer Meinung nach stärksten Songs des Abends. Den singt Julias Amme – gespielt von Steffi Irmen –, die dafür auch wohlverdient den meisten Applaus kassiert. In ihrer Rolle als Amme ist die gebürtige Hamburgerin urkomisch und lässt sich von der Liebe des Teenager-Paars förmlich anstecken – flippt sogar richtig aus! Für Überraschungen sorgt Romeos bester Freund Mercutio – gespielt von Nico Went, der schon in „Ku’damm 56“ begeisterte. Mercutio liebt heimlich Romeo und gesteht seine Gefühle in einem sehr emotionalen Song.
Es wird sogar auch an eine queere Legende erinnert: den schrillen New-Wave-Star Klaus Nomi, der in den 1980er-Jahren viel zu jung an AIDS starb. In Deutschland erlangte er nie großen Ruhm, dafür aber in seiner Wahlheimat: New York. Die Figur, die an Nomi gedenken soll, wird nicht von einem Musicaldarsteller, sondern von einem klassischen Countertenor gespielt, der berührende Arien singt und als eine Art Todesengel aus dem Jenseits immer wieder auftaucht. Die düstere Figur ist es auch, die Romeo den tödlichen Trank gibt, um seine totgeglaubte Julia auf der anderen Seite wiederzusehen. Leben und Tod, Liebe und Verlust, Trauer und Komik – das neue Musical von Peter Plate und Ulf Leo Sommer ist wirklich voller Kontraste.
Das erfolgreichste Komponistengespann, das viele Jahre auch privat ein Paar war, hat schon mit Sarah Connor, Helene Fischer und Max Raabe zusammengearbeitet. Was unvergessen bleibt, ist der berühmte Rosenstolz-Song „Lass es Liebe sein“ – eine Art Leitmotiv des Musicals. Bereits in den ersten Zeilen merkt man, das Song und Story perfekt harmonieren: „Hast du nur ein Wort zu sagen / Nur ein‘ Gedanken dann / Lass es Liebe sein …“ Denn auch Romeo und Julias gemeinsame Zeit ist begrenzt – und doch so intensiv, eine echte Achterbahnfahrt der Gefühle! Die kitschige Botschaft hat uns jedenfalls angesteckt! Wenn du das neue Musical im Theater des Westens selbst erleben möchtest, hast du auf jeden Fall noch bis Ende des Jahres dafür Zeit. In der Regel werden die Shows um einige Monate sogar verlängert.
Wann: seit 19. März bis mind. Ende 2023 – jeweils 6 Tage die Woche, Spielzeiten und Tage variieren
Wie viel: Tickets ab 49,90 €
Aufführungsdauer: ca. 2:40 Stunden inkl. Pause
Was noch: Einlass für Kinder ab 3 Jahren