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Meine Nachbarschaft vernetzt sich!

Weißt du eigentlich, wer so in deinem Haus lebt und was für tolle Events, um die Ecke stattfinden? Unsere Autorin testet nebenan.de
Weißt du eigentlich, wer so in deinem Haus lebt und was für tolle Events, um die Ecke stattfinden? Unsere Autorin testet nebenan.de
Gehört hatte unsere Autorin schon davon, den sogenannten Nachbarschafts-Netzwerken. Jetzt probiert sie das Ganze doch endlich mal selbst aus – und ihr erster Eindruck von nebenan.de ist gar nicht mal so schlecht. 

Vor einigen Tagen lag ein Zettel in meinem Briefkasten. Ich wollte ihn schon in den Papierkorb donnern, denn in der Regel handelt es sich um Sushi-Flyer oder Werbung für Transportservices – aber diesmal lohnte sich ein zweiter Blick: „Hallo liebe Nachbarn um den Körnerpark“, hieß es da, „unsere Nachbarschaft vernetzt sich. Schon 257 Nachbarn sind dabei„. Vernetzen, dachte, ich, das macht ja heute irgendwie jeder. Man ist und wird ja praktisch ununterbrochen vernetzt.

Aber dann überlegte ich: Ich sage ein paar Nachbarn aus meinem Haus Hallo, doch den Namen kenne ich vielleicht von Dreien. Ich kenne meinen Lieblingskneipenwirt von der Bar um die Ecke und meinen Lieblings-Späti-Verkäufer – aber bin ich deswegen mit meiner Nachbarschaft vernetzt? Nicht wirklich. Und das hat sicher nichts damit zu tun, dass die Nachbarn hier im zwischen hip und als problematisch titulierten Neukölln irgendwie reservierter wären als anderswo in Berlin. Die Leute, die hier leben, sind genauso nett oder doof, alt oder jung, zugezogen oder alteingesessen wie in vielen anderen Kiezen. Aber: Man spricht eben einfach wenig miteinander. Weil jeder sein Ding macht. 

Schon über 250 Körnerkiez-Nachbarn sind vernetzt

Den beiden Nachbarn, die die netten Menschen aus dem Körnerkiez in Neukölln zusammenbringen wollen, ist das offenbar auch aufgefallen. Und sie haben sich glücklicherweise nicht mit einem einfachen Mailverteiler zufriedengegeben. Schließlich wollen sie nicht nur Termine verkünden, sondern laut Flyer Menschen für gemeinsame Aktivitäten zusammenbringen, das Teilen und Tauschen von Gebrauchsgegenständen ermöglichen und so weiter. Und für so ein digitales Netzwerk gibt es Plattformen wie nebenan.de. Einzelpersonen oder Gruppen können hier eine Art Sub-Netzwerk anlegen, das auf einen bestimmten Radius festgelegt ist – den eigenen Kiez eben. Dann können Nachbarn eingeladen und mit einem Zugangslink versorgt werden. 

Ich habe praktischerweise Link und Zugangscode auf meinem Flyer per Post bekommen. Und lande damit direkt in der Körnerkiez-Community, die laut nebenan.de „sehr aktiv“ ist – lege ein kleines Profil mit Namen und Adresse an, Hobbys, Fotos etc können auch hinzugefügt werden. Ein Mini-Facebook für den eigenen Kiez. Und schwupps, schon kann ich sehen, wer wirklich im Haus nebenan wohnt. Oder in der Parallelstraße. Denn tatsächlich haben hier ziemlich viele Nachbarn ein Profil mit Foto angelegt. Ziemlich viele junge Leute, viele Zugezogene, ein paar internationale Namen, ein paar wenige Menschen jenseits der 50 – aber die türkische Familie von oben drüber ist hier nicht zu finden. Schade eigentlich … so wird man hier vermutlich eher auf die Menschen treffen, die man sonst auch abends in der Kneipe treffen würde. Aber gut, das ist ein anderes Thema, das an anderer Stelle hinterfragt werden sollte. 

Einige Gesichter kennt man, aber die meisten sind Fremde

Aber tatsächlich: Manches Gesicht kommt mir bekannt vor. Und zwar nicht nur vom zufälligen Begegnen auf der Straße, sondern auch von der einen oder anderen Dating-App, in der ich mich seinerzeit mal tummelte. Wenn ich wollte, könnte ich hier also auch eine Runde flirten!

Spannender finde ich aber gerade, was die Leute denn nun wirklich hier so treiben. Es gibt hier Kategorien wie Gruppen, Veranstaltungen, einen Marktplatz und besagte Übersicht über alle Nachbarn in meinem Netzwerk. Und insbesondere der Marktplatz ist nicht nur deswegen interessant, weil ich Second-Hand-Kram liebe – hier weiß ich auch, dass ein potenzielles Stück direkt um die Ecke abzuholen ist. Und vielleicht ja sogar gegen etwas anderes getauscht werden kann? Meine Nachbarn bieten hier eine bunte Mischung aus Büchern, Bettgestellen, Vasen und Küchengeräten an. Einer sucht angebrochene Lasur für einen Bilderrahmen, denn ein ganzer Pott würde sich nicht lohnen. Klingt nach klein-klein, ist aber doch ziemlich smart. Ähnlich wie das ewige Thema Bohrmaschine: Wieso sollte jeder eine haben, wenn sie doch 90 Prozent des Jahres unbenutzt im Schrank liegt? Finde ich gut.

Jetzt weiß ich, wo ich direkt um die Ecke Pilates machen kann

Noch besser finde ich einen Eintrag bei den Veranstaltungen: Pilates wird angeboten, und zwar direkt bei mir um die Ecke in einem kleinen Veranstaltungscafé. Sieben bis elf Euro pro Stunde. Geht im Februar los – und ich werde hingehen! Endlich keine Ausrede mehr, Sportmöglichkeiten wären so teuer und so ungünstig gelegen. Und hier und da schreiben Nachbarn auch ein paar persönliche Worte und sagen Sätze wie „man könnte ja mal einen Wein zusammen trinken oder Flohmarkt machen“. Und da scheinen, wenn auch sehr vereinzelt, einige Leute schon in Kontakt gekommen zu sein, auch abseits öffentlicher Veranstaltungen. Man merkt auch hier: Die Basis können solche Plattformen legen, Leben müssen die Nutzer dem Ganzen selbst einhauchen. Ich bleibe dran – aber bin jetzt schon überzeugt, dass das eine gute Sache ist, diese Nachbarschafts-Vernetzerei. Und wenn die Netze auch noch so zart sind.

Infos zu nebenan.de

Gründer Christian Vollmann startete 2013 mit einem kleinen Online-Portal für seine Straße. Zusammen mit fünf weiteren Mitbegründern wurde 2015 schließlich das Start-up nebenan.de gegründet. Die Motivation laut dem Unternehmen selbst: Nachbarschaft ist eine wichtige soziale Säule in der Gesellschaft. Zunehmende Anonymisierung stehe einer lebendigen Nachbarschaft aber im Weg. Daher der Gedanke: Vernetzt euch – und trefft euch! Für Privatpersonen ist die Mitgliedschaft kostenlos, Nachbarschaften sind hier deutschlandweit vernetzt. Auf dem Blog von nebenan.de gibt es weitere News und Infos rund um das Portal. Hier kann man auch sehen, was in anderen Kiezen passiert und welche Aktionen rund um das Netzwerk entstehen.

Fincan - Jazz und Filmkunst, Altenbraker Str. 26, 12043 Berlin

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