Irgendein gefährlich guckender Plastikdino ist wohl eines der Standard-Geschenke auf dem Geburtstagstisch eines Sechsjährigen. Einen echten Dino, noch dazu einen Tyrannosaurus rex, in voller, wenn auch fossilierter Lebensgröße bekommt wohl nicht jeder geschenkt. Der kleine Tristan jedenfalls hatte das Glück. Sein Vater, der britische Investmentbanker Niels Nielsen, hatte das nötige Kleingeld, um ein 2010 entdecktes und 2012 ausgegrabenes Exemplar zu kaufen.
Das haben vor ihm schon andere Vermögende getan, doch Nielsen hält es für eine „Schande“, wenn jahrmillionenalte Fossilien in irgendwelchen Villen herumliegen. „Solche wunderschönen Funde müssen der Öffentlichkeit gezeigt werden“. Deshalb steht Tristans Geburtstagsgeschenk nun für die nächsten drei Jahre im Berliner Naturkundemuseum und darf nicht nur, sondern soll sogar von Forschern durchleuchtet werden. „Es ist spannend und aufregend, helfen zu können, all die Geheimnisse dieser Art zu entschlüsseln“, sagt Nielsen.
Der Dino lebt in einer Flussauenlandschaft
Bevor Moldrzyk allerdings den Dino selbst untersuchte, machten sich die Forscher auf nach Montana, wo Tristan ausgegraben wurde. „Wir haben an der Fundstelle Fossilien von Fischschuppen, Pflanzenresten, Krokodilen und pflanzenfressenden Dinosauriern gefunden“, sagt der Forscher. Sogar einen Triceratops fanden die Berliner Forscher, der jetzt ausgegraben wird. Schon jetzt lasse sich sagen, dass Tristan in einer Flussauenlandschaft gelebt haben muss oder dort gestorben ist. Per Isotopenanalyse lasse sich herausfinden, wie das Verhältnis von pflanzen- zu fleischfressenden Dinos war.
Blick ins Innere der Fossilien
Zwar sei es richtig, dass es bereits diverse Funde von T.-rex-Echsen gibt, doch das heißt nicht, dass über diese Art alles bekannt und nichts mehr zu erforschen sei. Seit 1902 das erste Exemplar gefunden wurde, habe man bis in 1980er Jahre im Grunde nur die Knochen zusammengepuzzelt. Wie hat er gestanden, wie gehören die Knochen zusammen? Dann wurde darüber nachgedacht, wie er sich mit den Knochen überhaupt bewegen konnte. Aber erst seit ein paar Jahren könne mit Hilfe von Isotopen- und Röntgenanalysen im Computertomographen das Innere der Knochen untersucht werden.
„Wenn alles gut läuft, dann bleiben dabei die Originalstrukturen aus dem lebenden Tier erhalten. also die Poren zum Beispiel“, sagt Moldrzyk. Es könne aber auch passieren, dass die äußere Schicht als Abdruck gut erhalten bleibt, im Inneren aber alles mit Sand oder anderem Material gefüllt wird. „Das ist bei Tristan Zähnen der Fall, wo das Knochenmaterial zu Stein geworden ist, aber die Zähne im Inneren mit Ton verfüllt sind.“ Deshalb seien sie nicht so stabil und müssten besonders behandelt werden, damit der Ton keine Feuchtigkeit aufnimmt, sich ausdehnt und die Zähne sprengt. Doch das sei nicht überall so, andere Knochen seien im Inneren gut erhalten und spiegeln die Gegebenheiten zu Lebzeiten wider. „Wir sehen zum Beispiel, dass die Knochen zum Teil hohl sind“, sagt Moldrzyk. Das deute auf die enge Verwandtschaft der Riesenechsen mit den Vögeln hin.
Der Dino hatte Zahnschmerzen
Tristans Schädel ist sogar so gut erhalten, dass anhand der Abdrücke auf der Hirnkapsel auf die Hirnareale rückgeschlossen werden kann. „Das Zentrum fürs Riechen ist sehr groß“, sagt Moldrzyk. „Er konnte aber auch sehr gut sehen, was die Frage aufwirft, ob er denn nun eher ein optisch begabter Jäger war oder eher auf Aas aus.“ Nach allem, was man von den bisherigen Funden weiß, gehen Forscher davon aus, dass nur die Jungtiere flinke Räuber waren. Mit den Jahren wurden Tristans Artgenossen aber träge und wohl auch dicker und bevorzugten, anderen Jägern ihre Beute streitig machten, statt selbst zu jagen. Ähnlich wie bei Löwen, sagt Moldrzyk.
Und das wird häufig passieren, denn Tristan hatte offenbar eine riesige Schwellung am Unterkiefer. „Wir wissen noch nicht, ob es eine Entzündung oder gar ein Tumor gewesen ist.“ Jedenfalls muss es so geschmerzt haben, dass der Dino lange Zeit auf der anderen Seite kauen musste. Dort finden sich am Oberkiefer auffällige Zahnanomalien. „Das ist natürlich total spannend herauszufinden, ob Tristan daran gestorben sein könnte, weil er nicht mehr genug fressen konnte.“
Schwarze Zähne und Knochen
Unabhängig davon sei der Schädel einfach viel zu „faszinierend“, um ihn vier Meter weit weg von den Besuchern zu präsentieren. Die Faszination dürfte vor allem von der ungewöhnlich schwarzen, geradezu gruseligen Färbung der fossilen Knochen ausgehen.
„Das liegt daran, dass Tristan in einem schwarzen Tonsediment eingelagert wurde“, sagt Moldrzyk. Man kenne das vom Strand, wenn man tiefer buddelt. Wo kein Sauerstoff für Zersetzungsprozesse hingelangt, entstehen die dunklen Farbstoffe, die bei der Versteinerung in die Knochen einwandern. „Das ist ungewöhnlich, weil normalerweise in solchen Sedimenten Knochen zerschreddert werden“, sagt Moldrzyk. „Deshalb hatte man an der Stelle, wo Tristan gefunden wurde, auch nie einen T. rex vermutet.“ Ein Glücksfall.
Vielleicht bleibt Tristan länger als drei Jahre in Berlin
Und was will er mit dem Exemplar machen, wenn die drei Jahre abgelaufen sind? „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, jetzt ist es erst mal hier.“ Natürlich bestünde die Möglichkeit, dass es noch länger in Berlin bleibe. „Wer weiß schon, was die Zukunft bringt“, sagt Nielsen und zeigt auf den schwarzen Dino.
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