Gerhard Bechtoldt hat ein Problem: Der Rahnsdorfer möchte sein Grundstück am Dämeritzsee verkaufen, doch der bereits aufgesetzte Vertrag beinhaltet die Nutzung des Bootsstegs, dessen Genehmigung im Herbst 2013 auslief. Die Bechtoldts hielten die Verlängerung für eine Formalie – ein folgenschwerer Irrtum, wie sich im Dezember letzten Jahres herausstellte. Unter Bezugnahme auf das Berliner Wasser- sowie das Naturschutzgesetz untersagte das Umweltamt Treptow-Köpenick die weitere Nutzung des Stegs – und gab den Grundstückseigentümern nach Inkrafttreten des Bescheids drei Monate Zeit zur Beseitigung.
Grundlage für die Entscheidung sind veränderte Rahmenbedingungen. In einer Pressemitteilung vom Januar nennt das Bezirksamt „zahlreiche Unterschutzstellungen nach dem Naturschutzrecht und wasserrechtliche Vorgaben“, die auf Landesebene neu verabschiedet wurden. Gegenüber den Bechtoldts wurde außerdem auf internationale Verpflichtungen zur Verbesserung der Gewässergüte im Rahmen von EU-Richtlinien hingewiesen. Der konkrete Hauptgrund für die Abbauverfügung ist auf obigem Bild zu sehen: Nymphaea Alba, die weiße Seerose, gedeiht am Seeufer rund um den Bootssteg. Zu ihrem Schutz müsste laut Naturschutzgesetz ein Mindestabstand von 10 Metern mit Booten oder anderen Schwimmkörpern eingehalten werden.
Seerosen als Herrscher der Seen?
Grundstücksbesitzer Bechtoldt akzeptiert grundlegende Belange des Naturschutzes, insistiert aber, dass sich die Seerose auf dem Dämeritzsee und anderen Gewässern des Bezirks augenscheinlich trotz Stegen wohlfühle. Er vermutet, dass der Gesetzgebung veraltetes Datenmaterial zugrunde liege. Mit anderen Anwohnern plant er eine Petition gegen Teile des Berliner Naturschutzgesetzes. „Es kann doch nicht sein, dass die Seerosen Rahnsdorf übernehmen“, findet Bechtoldt.
Wo liegen also die Grenzen des Naturschutzes? Das Umweltamt verweist auf einen Senatsbeschluss, die „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt“. Danach sollen mindestens ein Drittel der Uferlinien von Spree-, Dahme- und Havelgewässern wieder mit Röhricht in gutem Zustand bestanden sein. Unter den Sammelbegriff fällt auch die Seerose. Die Renaturierung der Ufer wird als dem Wohl der Allgemeinheit dienlich verstanden, während die Stegnutzung nur einem begrenzten Personenkreis zugutekommt. Im konkreten Fall wies das Umweltamt die Bechtoldts darauf hin, dass die Seerosen ihr Wachstumspotenzial noch keineswegs ausgeschöpft hätten.
Begrenzter Spielraum auf Bezirksebene
Durch die neue Linie der Behörden könnten allerdings auch andere Grundstücksbesitzer betroffen sein, die die Genehmigung für ihren Bootssteg nur verlängern wollen. Bezirksstadtrat Rainer Hölmer (SPD), zuständig für Bauen, Stadtentwicklung und Umwelt, will weitere ablehnende Bescheide gegenüber Qiez.de nicht ausschließen und verweist auf das geltende Naturschutz- und EU-Recht. Seine Behörde setze lediglich die Vorgaben des Gesetzgebers um. Das deutsche Naturschutzrecht hat Hölmers Worten zufolge stark „erhaltenden Charakter“, während die EU-Richtlinien zur Bio-Diversität mehr Gestaltung zuließen.
Der Stadtrat lässt Sympathien für letzteren Ansatz erkennen, sieht jedoch wenig Handlungsspielraum des Bezirksamts. Den gäbe es nur, wenn bestehende Sportbootsstege in Gebieten lägen, die als Flora-Fauna-Habitat deklariert sind. Nach dieser EU-Richtlinie könne etwa durch betroffene Grundstücksbesitzer eine Kompensation für beschädigtes Röhricht in unmittelbarer Nähe erfolgen. Auf das Ufer des Dämeritzsees und Gerhard Bechtoldts Grundstück lässt sie sich jedoch nicht anwenden.