Seit langem behaupte ich ein ums andere Mal, dass es keine kulinarischen Geheimtipps gibt, weil heute in Berlin ja keine Würstchenbude mehr ohne PR-Konzept eröffnet wird. Doch dann das: Neulich stehe ich völlig verdutzt vor dem „Honca“ am Ludwigkirchplatz und frage mich: Wo kommt das denn auf einmal her? Und warum hat mir keiner Bescheid gesagt?
Offenbar ist die Eröffnung unter beinahe ausschließlicher Beteiligung der türkischen Community vonstattengegangen, wie die Videos auf der Website nahelegen. Kein deutscher Prominenter oder auch nur Wichtiger ist zu sehen. Überraschend, da das Restaurant sich ja durchaus über Grenzen hinwegsetzen und eine moderne Variante der überwiegend anatolischen Küche präsentieren will – sogar mit einem deutschen Küchenchef.
Schon der Vorspeisenteller (13,50 Euro) lässt die stereotypen Darbietungen der im weitesten Sinn nahöstlichen Konkurrenz vergessen. Breite Bohnen mit Tomate, Selleriewürfel mit Orangen und Aprikosen, ein herrlich mit Thymian und Granatapfelkernen verfeinerter Petersiliensalat, schließlich ein Auberginenpüree mit (etwas aufdringlichem) Raucharoma – alles gut abgeschmeckt und mit dem gewissen Etwas, das den Unterschied ausmacht.
Raffiniert wie in Istanbul
Die warmen Vorspeisen werden mit dem kreativen Ehrgeiz auf den Teller gebracht, der mich an die besten Istanbuler Restaurants erinnert. Beispiel: gebackene Garnelen mit einer chilischarfen Paprikapaste, vollendet mit ein wenig wildem Spargel. Bei den Hauptgerichten gelingt der Küche der Brückenschlag zwischen türkischen Aromen und Kombinationen mit moderner Kochtechnik ganz ausgezeichnet: Stubenküken in Traubensaft-Marinade, eine Idee von Süße, schön saftig gegart, mit Bulgur und Kräutersaitlingen. Oder: Lammkarree, auf den Punkt rosa, mit weißem Bohnenpüree, hübsch in grünen Bohnen angerichtet, und schulmäßig kräftiger Jus (28,50 Euro, das teuerste Gericht).
Nicht einmal die Desserts weichen von der Linie modernisierter Tradition ab. Mastix ist das Harz des wilden Pistazienstrauchs und in der Türkei in vielen Süßspeisen und Eis als Beigabe zu finden. Im Honca steckt es in einem Pudding mit eingelegten Walnüssen und getrocknetem Kürbis. Auch nicht alltäglich, aber ausgesprochen köstlich ist ein anderer Pudding aus Datteln und Feigen. Vom offenen, freundlichen Service werden alle Gerichte in überschaubarer Zeit serviert und bei Bedarf vorgestellt.
Schade, doch die Weinkarte kann hier noch nicht ganz mithalten. Zwar liefert die anatolische Firma Kayra, deren Weine im Honca exklusiv ausgeschenkt werden, gute Qualität zu günstigen Preisen. Doch deren Sortiment ist nur lückenhaft vorrätig, so dass groteskerweise neben knapp einem Dutzend Roten exakt je ein Weiß- und ein Roséwein zu haben sind. Und bei diesen beiden handelt es sich um achtbare, aber sehr leichte Sommerweine.
Aber egal. Denn wenn sich dieses Restaurant so vielversprechend weiterentwickelt, hat Berlin eine neue anatolische Perle. Das Honca beweist, dass die türkische Küche aus mehr als nur Döner und Kebab und ähnlich Altbekanntem besteht, sondern es vermag, die lange Tradition gelungen in die Moderne zu übertragen. Und damit schließt sich eine große Lücke in der Hauptstadtgastronomie.