Holger Trabant ist eigentlich Tischler und Diplomingenieur der Architektur. Vor allem aber mag er Bier, und das so gerne, dass er mit Freunden in einem Hinterhof in Kreuzberg selbst Bier gebraut hat. Zunächst nur für den Eigenbedarf, aber vor etwa einem Jahr hat er die Idee gehabt, seiner Leidenschaft einen Shop zu widmen. Die perfekte Location dafür fand er in einer ehemaligen Galerie in der Petersburger Straße. Gemeinsam mit drei Braumeistern hat er dort im Oktober das „Bierlieb“ eröffnet.
Von Ale über Stout bis Weizenbier: Hier gibt’s die ganze Vielfalt.
Betritt man die gemütlichen, zum Großteil mit Holz verkleideten Verkaufsräume, fällt einem gleich ein Periodensystem ins Auge. Natürlich nicht das, was wir aus dem Chemieunterricht kennen, sondern eines, das die 65 Bierstile und ihre Zusammenhänge abbildet. Im Laden gibt es Kostproben von fast all diesen Stilen, entsprechend der 20 übergeordneten Stile sind die Regale im Laden bestückt. Hierzu zählen neben dem bekannten Pils auch Weizenbier, Alt, Belgisches Ale, Stout oder das in den letzten Jahren unter Kennern so berüchtigte Pale Ale.
Außerdem gibt es Bierspezialitäten, also solche, die den Rahmen der Zuordnung sprengen. Das sind zum Beispiel Biere, die unter Zugabe von Avocado, Schokolade oder Kaffee hergestellt werden.
Was es nicht gibt, sind Industriebiere. Wer sich mit Deutschlands Biermarkt etwas auskennt, weiß, dass viele Marken von großen Brauereien oder Konzernen aufgekauft wurden und sich geschmacklich sehr ähneln. Holger und seine Mitarbeiter wollen aber zeigen, dass es mehr gibt als diese, wie sie sagen, „Industrieplörre“ und verkaufen darum ausschließlich Bier von unabhängigen Brauereien. Zu all den verschiedenen Stilen gibt es im Shop Bücher und Rezepte zu kaufen. Und allen Interessierten stehen die Jungs natürlich auch mit geballtem Fachwissen und Leidenschaft zur Seite.
In 10 Bieren um die Welt und ein Diplom für Hobby-Brauer
Von diesem Fachwissen profitieren vor allem die, die dienstags zum Braukurs oder am Donnerstag zum Bier-Tasting vorbeikommen. Klar, beim Braukurs erfährt man in erster Linie alles, was man für die Bierherstellung wissen muss. Außerdem kann man ein eigenes Bier kreieren, von dem man vier Wochen später zwei Flaschen mit nach Hause nehmen kann.
Welche Biere verkostet werden, das entscheiden die Braumeister einige Stunden vor dem Tasting nach Lust und Laune. Klar ist, man möchte ein rundes Programm abliefern, den Gästen nicht zumuten, wild zwischen extrem bitteren dunklen und fruchtigen hellen Bieren zu wechseln. Und ob draußen ein trüber, diesiger oder ein freundlich sonniger Tag ist, das schmeckt man auch in der Auswahl der Biere.
Pils ist wie Toastbrot. Es gibt mehr als das.
„Bier ist etwas Kommunikatives“, sagt Holger. Er wünscht sich, dass mit dem Bierlieb etwas entsteht im Kiez. Der Laden soll in der Nachbarschaft bekannt sein. Man möchte mit den Leuten im Umkreis ein paar Bierchen naschen, vielleicht im Sommer Bierfeste auf dem Innenhof vor der Rezeptbrauerei veranstalten. Und natürlich möchte das Bierlieb lokale Brauer supporten, auch die privaten. Dafür steht schon ein Kühlschrank an der Kasse bereit. Hier kann jeder seine Eigenkreationen vorbeibringen und gegen eine Flasche eines anderen privaten Hopfentrunks tauschen. Bier geben und nehmen. Eine rundum geschmackvolle Geschichte.
„Ein Laden zum Reingehen und Wohlfühlen. Hier geht mit Sicherheit jeder mit einem Mehr an Wissen nach Hause. Was ich gelernt habe: Es gab eine Zeit, da konnte man Bier ausschließlich saisonal brauen, weil die Bierherstellung temperaturabhängig ist. Bier sollte man am besten bei 10-12 °C trinken, weil man seinen vollen Geschmack nicht erfassen kann, wenn es kälter ist. Und es gibt Bier, das eindeutig nach Espresso oder Kräuterbonbon schmeckt. Naja, Geschmackssache eben …“