Im unverputzten, ungeheizten Theatersaal sitzen sie an einem ungehobelten Holztisch, Vater und Sohn Kurth, um eine ungeschliffene Perle zu präsentieren: das RAW-Gelände in Friedrichshain. Seit wenigen Tagen sind die Kurths aus Göttingen im Besitz dieser sperrigen, drogenbelasteten, teilruinierten Party- und Kiezkultur-Immobilie an der Revaler Straße in Friedrichshain. Sind sie jetzt die Retter des RAW?
Einen „kurzentschlossenen Kauf“ nennt es Sohn Lauritz, er sei auch schon privat öfter auf dem Gelände gewesen, das die Clubs Astra Kulturhaus, Suicide Circus und Cassiopeia, diverse Cafés, Skaterhalle und einen Kletterturm beherbergt. „Wir sind uns der Strahlkraft des Geländes bewusst.“ Den in Medienberichten kursierenden Kaufpreis von 20 Millionen Euro wollen die Kurths nicht bestätigen.
Viele Gebäude auf dem RAW-Gelände müssten saniert werden
Die Kurths wollen nun alles anders, vor allem besser machen als die Isländer. „Wir sind keine Händler, keine Aufteiler“, sagt Vater Hans-Rudolf. Was sie erwerben, wollen die Kurths auch behalten und verwalten, sagen sie. Und „behutsam entwickeln“. Wie das aussehen könnte, blieb allerdings relativ vage. Die denkmalgeschützten Gebäude an der Revaler Straße, das Beamtenwohnhaus, RAW-Verwaltung, Ambulatorium (Theatersaal, früher die medizinische Ambulanz) und das ehemalige Gerätelager wollen sie beibehalten, ebenso die Halle der ehemaligen Radsatzdreherei, für die es Anfragen von Musikern gebe.
Keine Bestandsgarantie für Bauten ohne Denkmalschutz
Für die restlichen Gebäude, von denen teilweise nur noch die Außenmauern stehen wie beim Haubentaucher-Biergarten, geben die neuen Eigentümer keine Bestandsgarantie, verweisen aber auf langfristige Mietverträge der derzeitigen Nutzer, die man einhalten werde. Denkbar sei, dass einzelne Mieter innerhalb des RAW-Geländes umsiedeln, sollte ihre bisherige Heimstatt nicht mehr zu retten sein. „Wir wollen die DNA des Geländes erhalten“, sagen die Kurths, eine populäre Metapher zitierend, die auch andere Käufer morbider Backstein-Zeitzeugen gerne nutzen.
Investoren streben „quartiersübliche Dichte“ an
Es gebe genügend Freiflächen für ergänzende Neubauten, um eine „quartiersübliche Dichte“ zu erreichen. Für Grünflächen sei auch noch Platz, für einen Park eher nicht. Auf jeden Fall solle ein „kooperatives Planungsverfahren“ durchgezogen werden, was dem Kreuzberg-Friedrichshainer Verständnis von Bürgerbeteiligung sehr entgegenkommt. Alle Interessengruppen sollen beteiligt, alle Mieter gehört werden.
Der Bezirk will eine Wohnbebauung, wie sie unter dem früheren Bürgermeister Franz Schulz noch geplant war, auf dem gesamten RAW-Gelände verhindern. Dazu wird ein Bebauungsplan vorbereitet. Die neuen Eigentümer haben sich schon bei Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) vorgestellt. „Ich habe den Eindruck, dass sie bereit sind, sich auf ein partizipatives Verfahren einzulassen“, erklärte Panhoff auf Anfrage. Die Aussage der Kurths, eine quartiersübliche Dichte zu erreichen, irritiere ihn allerdings . „Das RAW-Gelände muss auf sich selber gucken.“
Clof-Verein wünscht sich eine drogenfreie Zone
Der Verein Clof, der zwei Häuser bespielt, verhandelt derzeit mit den neuen Eigentümern über die Mietkonditionen. Bisher zahle man 1,50 Euro pro Quadratmeter, ein Freundschaftspreis. Clof-Sprecher Holger Werner verbreitet Zuversicht. Mit den alten Eigentümern habe man vor allem Kämpfe austragen müssen, bei den neuen habe er nun ein „positives Bauchgefühl“. Sie würden auch den Kampf gegen die Drogendealer unterstützen. Werner spricht sich für eine „Nulltoleranzzone“ im RAW aus, nach dem Vorbild des Görlitzer Parks.