Manches erklärt sich von selbst, anderes lässt sich erfühlen: In der neuen Lehrküche des Blindenhilfswerks Berlin-Steglitz ist alles darauf ausgerichtet, auch blind kochen zu können. Während die Messwaage die Grammzahl ansagt, haben die Knöpfe von Induktionsherd und Ofen Rillen und Noppen, sodass man leicht die Hitzestufe erfühlen kann. Auch die Gewürze müssen nicht blindlinks in den Topf gepfeffert werden, mit Blindenschrift lassen sich Thai-Curry und Rosenpaprika unterscheiden. Alles hat seinen festen Platz, sodass man sich darauf verlassen kann, die gewünschte Dose im richtigen Regalfach zu finden. Zwar ist auch alles hell ausgeleuchtet in der Küche – für viele Besucher spielt der Lichtschalter aber eine untergeordnete Rolle.
Ein Platz für kulinarische und integrative Experimente
Stellenweise haben die Verantwortlichen die schon vorhandene Küche renoviert; viele Dinge wurden aber auch neu angeschafft, um den Küchenalltag für blinde Menschen barrierefrei zu gestalten. Das hat insgesamt an die 46.000 Euro gekostet. Eine lohnende Investition: Allein der Gemeinschaftswert einer so geselligen Küche ist enorm. Manch ein sehbehinderter Mensch müht sich nur ungern in der Küche ab, sondern isst der Einfachheit halber auswärts oder bestellt etwas. Die Isolation am Küchentisch ist vorprogrammiert. Und egal ob sehend oder nicht, man kennt es ja: Alleine kochen ist nie das Wahre. Zusammen tauscht man Rezepte aus, probiert Neues. Und wer hat nicht so einen Spezialisten im Bekanntenkreis, jemanden, der vielleicht gar nicht kochen kann, aber Lust hat auf Gesellschaft, und gerne produktiv mitschnippeln würde. Alles kein Problem. Die Lehrküche bietet Platz für jedes kulinarische und integrative Experiment.
Dass die Küche so reibungslos funktioniert, hat das Blindenhilfswerk wohl selbst nicht ganz glauben können, sonst hätten sie sicher schon mehr Pläne für den Küchenhaushalt geschmiedet. So gibt es bisher nur grobe Ideen für die Zukunft: Unbedingt soll mal türkisch und persisch gekocht werden. Auch zur Kinder- und Jugendaufklärung könnte man Workshops anbieten, in denen Schüler in einer nachtschwarzen Küche sich einen Saft eingießen oder ein Brot schmieren. Aha-Effekt garantiert! Und nicht nur Kinder: Wenn egal wer sich im Dunkeln zurechtzufinden lernt, dann stellt sich mehr Verständnis und noch größerer Respekt ein!