Zu behaupten, die neueste Kinoversion von Hans Falladas letztem Roman „Jeder stirbt für sich allein“ sei neben „24 Wochen“ der zweite deutsche Wettbewerbsbeitrag dieser Berlinale, wäre wohl übertrieben. Aber nur ein bisschen. Schließlich geht es um einen deutschen Stoff, wurde in Deutschland gedreht, gehören die Berliner X-Filmer zu den Produzenten und wurde das Werk aus fünf deutschen Subventionstöpfen mit über fünf Millionen Euro gefördert.
Andererseits. Gesprochen wird in „Alone in Berlin“, so der Originaltitel, durchweg Englisch. Ein insofern kurios homogenes Englisch, als die beträchtlich beteiligten deutschen Schauspieler jeweils so makellos wie möglich artikulieren, während die Angelsachsen am Set ihrem naturwüchsigen Timbre einen aparten deutschen Akzent beimischen. Schließlich sollen sie allesamt Deutsche darstellen, das Werkmeisterehepaar Otto und Anna Quangel (Brendan Gleeson und Emma Thompson) an erster Stelle.
Teil der Wertschöpfungskette
Deutschland Ost und Deutschland West hatten bereits in früherer Nachkriegszeit nationale Geschichtsbewältigungsarbeit geleistet, zuletzt in Alfred Vohrers Version mit Hildegard Knef und Carl Raddatz. Das tschechische Fernsehen sendete 2004 einen Dreiteiler; danach schien das Thema historisch erschöpfend erledigt.
Der nun von Vincent Perez nach einem Drehbuch von Achim und Bettine von Borries inszenierte Nachläufer erzählt die Geschichte bewusst wie eine Überlieferung aus entfernter Vergangenheit. In einem so aufwendigen wie sorgfältigen Setting entwickelt sich, leider untermalt von einem bald bombastischen Score, zunächst zurückhaltend das Drama des Paares, das nach dem Tod seines Sohnes im „Frankreichfeldzug“ in seine eigene, rührende und tragische Mini-Schlacht gegen Hitler zieht. Wobei der Film nicht unterschlägt, dass erst der Verlust des einzigen Kindes die Mitmacher zu Gegnern macht. In einem Buch findet Otto Quangel eine Hitler-Postkarte und übermalt den Schriftzug „Führer“ in „Lügner“, und seine Frau ist anfangs bei der NS-Frauenschaft propagandistisch unterwegs.
Klaglos und würdevoll bis zum bitteren Ende
Mit feinen Strichen auch skizziert Perez, der bislang vor allem als Schauspieler hervorgetreten ist, das auf viele Worte nicht angewiesene Vertrauensverhältnis zwischen den Eheleuten. Brendan Gleeson als Berg von einem Mann und Emma Thompson als seine zarte Partnerin machen ihre Sache als zwei ohne Aufhebens zum Äußersten Entschlossene sehr gut. Nirgends eine Spur jener „proletarischen Heul-Duse“, als die der um eine muntere Bosheit nie verlegene Hellmuth Karasek noch das Spiel Hildegard Knefs in der Vohrer-Verfilmung von 1975 geschmäht hatte. Die beiden gehen den Weg, über dessen Risiko zum tödlichen Ausgang sie sich in aller Stille bewusst sind, klaglos und würdevoll bis zum bitteren Ende.
Über 200 Postkarten hat das reale Weddinger Ehepaar Otto und Elise Hampel in mehreren Bezirken Berlins ausgelegt, bevor es nach zwei Jahren gefasst wurde. Weit kamen die beiden nicht mit ihrem Aufrüttelungsimpuls, die meisten Karten wurden von den nazitreuen Deutschen sogleich bei den Strafverfolgungsbehörden abgeliefert. Verbürgt ist aus den Gestapo-Akten außerdem, dass die Eheleute sich nach der Verhaftung gegenseitig belasteten, um der Todesstrafe zu entgehen. Hier aber hat jede Sentimentalität, die auch Emma Thompson und Brendan Gleeson tapfer aus ihren Rollen in diesem insgesamt soliden Spielfilm herauszuhalten suchen, ein Ende. Hier beginnt die Wirklichkeit.
Zu sehen ist der Film am 16.2. um10 Uhr im HdBF, um 12 und 18 Uhr im Friedrichstadt-Palast; 18.2. und um 18.30 Uhr im Babylon Kreuzberg.