Die Brennnesseln stellen ein Problem dar. Doch Riccarda macht das nichts aus, sie zieht sich die Stulpen bis zu den Knien und schiebt die Nesseln mit den Füßen weg. Die 14-Jährige schlängelt sich an Ästen vorbei, den Blick zu Boden gerichtet. Sie ist auf der Suche nach ihrer blauen Wurfscheibe, die mitten im Gestrüpp gelandet ist.
Wäre es ein Wettkampf, hätte Riccarda nur drei Minuten Zeit, um das Geschoß wiederzufinden – so lauten zumindest die Regeln für Disc Golf. Heute jedoch wird trainiert. Die Möllemanns, darunter Riccarda, sind wiedergekommen, dazu auch Thomas Leonhardt und Skander Morgenthale – sie alle sind Anhänger der neuen Trend-Sportart, die mit einer dem Frisbee ähnlichen Scheibe betrieben wird.
Sie gehören zu einer Gruppe, die sich regelmäßig zum Disc Golfen im Volkspark Rehberge trifft. Das wird vorwiegend auf 18 Bahnen gespielt, und wie beim Golf ist es das Ziel, jede mit möglichst wenigen Würfen zu bewältigen. Am Ende steht jeweils ein Fangkorb, den man treffen muss.
Berlin ohne eigenen Parcours
In Volkspark Rehberge nahe der Transvaalstraße stehen allerdings nur zwei Körbe nebeneinander. „Berlin ist einer der wenigen Hauptstädte Europas, die keinen Parcours haben“, so Leonhardt, der für die Organisation der Weddinger Treffen verantwortlich ist. Er findet es schade, dass den Disc Golfer keine Anlage zur Verfügung gestellt wird, obwohl sie sich hier schon seit Jahrzehnten treffen.
Im Juni fanden die bereits 25. Berlin Open Disc Golf Championships in den Rehbergen statt. Disc Golfer aus der ganzen Welt waren am Start – auch der erfolgreichste deutsche Spieler Simon Lizotte. „Ohne Parcours ist das Turnier ein riesiger Organisationsmarathon“, sagt Leonhardt. Drei Tage lang müssen Körbe und Abwurfzonen auf- und abgebaut werden, nachts hat das Spielfeld wieder Park zu sein.
Familienvater Olli Möllemann hätte gern einen festen Spielplatz in Berlin, zumal bundesweit ständig neue Anlagen eröffnet werden. Mittlerweile gibt es schon über 50, weltweit sollen es über 3000 sein. Der 44-jährige Kaufmann spielt schon seit 1979, kurz nachdem Disc Golf aus den USA den Weg nach Deutschland fand. Inzwischen ist seine ganze Familie infiziert: Ehefrau Nicola nimmt seit zwei Jahren an Turnieren teil, auch seine Töchter Riccarda und die neunjährige Leonie sind begeisterte Disc Golf Spielerinnen.
Landschaftsschutzgebiete sind laut Bezirk nicht geeignet, oder doch?
Um einen festen Parcours zu erhalten, hat die Gruppe viel unternommen. Mit dem Bezirksamt wurden sogar schon Bahnvorschläge diskutiert. Die Ideen wurden jedoch verworfen. Disc Golf passe nicht in die Rehberge, war die Begründung. Denn der Volkspark sei Landschaftsschutzgebiet. Darum hat man seine eigenen Bahnen entworfen: Bäume mit Markierungen dienen als Korbersatz. Abwurfzonen entstehen aus nicht sichtbaren Linien zwischen Pflanzen. Doch für den Sportspaß müssen sich die Spieler oft in Brennnesselbüsche begeben und ihren Scheiben im hohen Gras suchen.
Olli Möllemann ist voll konzentriert. Die nächste Bahn misst 250 Meter, etliche Bäume stehen im Weg. „Ich mag es, die dreidimensionalen Flugbahnen zu verstehen“, sagt er. Jedes Mal seien sie anders. „Man muss den Wind immer mit einberechnen.“ Der Disc Golfer nimmt Anlauf, macht eine Drehung und wirft über 100 Meter. „So weit will ich auch einmal werfen“, seufzt Riccarda und schaut der Scheibe ihres Vaters hinterher.
Das letzte Ziel sind die Fangkörbe. An einem üben drei junge Männer, ihre Scheiben zu versenken. Möllemann ist erfreut. Immer mehr entdecken den Sport und kommen in den Park zum Spielen. „Vielleicht wird so klar, dass Disc Golf doch in die Rehberge passt.“
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