Es ist rein ergebnistechnisch keine spannende Wahl und doch wurde selten über eine Abstimmung in einem Stadtbezirk so viel berichtet wie über jene in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung am 15. April. Natürlich liegt das an den Hauptpersonen: Der streitbare Heinz Buschkowsky, bundesweit auch als Buchautor und Talkshow-Gast bekannt, wird ersetzt durch die künftig jüngste Bezirksbürgermeisterin Berlins, Bildungsstadträtin Franziska Giffey (beide SPD). Auch die studierte Politologin ist bereits eine ganze Weile, seit 2002, im Bezirksamt Neukölln tätig: bis 2010 als Europa-Beauftragte, anschließend in ihrer jetzigen Funktion. Privat lebt sie mit Mann und Kind in Friedrichshain – inzwischen. „In Neukölln war meine erste feste Wohnung in Berlin. Ich wusste also, wie es sich dort lebt“, erzählt Giffey über ihre Anfangstage in der Hauptstadt, Ende der 1990er.
Ob und wie lange Heinz Buschkowskys Schatten künftig noch über dem Rathaus Neukölln liegen wird, dürfte seine Nachfolgerin wenig kümmern. Bei zentralen Themen wie Bildung und Integration waren sich die zwei ohnehin nah. So trieben beide Politiker die Weiterentwicklung der Rütli-Schule in Nord-Neukölln zum „Campus“ voran, nachdem Lehrer vor neun Jahren einen Brandbrief wegen der dortigen Zustände geschrieben hatten. Heute gibt es dort Angebote für den gesamten Bildungsweg von der Kita bis zum Abschluss; auch eine Nachmittagsbetreuung ist gewährleistet. „Es hat sich normalisiert und zum Positiven entwickelt“, sagt die Stadträtin zum Status Quo, konzediert aber auch: „Es hat kein Komplettaustausch der Bevölkerung stattgefunden. Die Problemlagen sind nach wie vor vorhanden.“
Gegen religiöse Symbole im Schuldienst
Ihre Haltung zum jüngsten Kopftuchurteil liegt ebenfalls auf einer Linie mit Vorgänger Buschkowsky. Für Giffey ist das Tuch der Musliminnen kein reines Kleidungsstück, sondern ein Symbol. Insofern kritisiert sie die Korrektur des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht, das ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen nur bei einer konkreten Gefährdung von Neutralität oder Schulfrieden für vertretbar hält. „Ich finde dieses Urteil hochproblematisch“, so Giffey. „Wir brauchen die Neutralität der Schule ohne religiöse Symbole, gerade in Klassen mit Kindern aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturkreisen.“ Die künftige Bürgermeisterin unterstützt auch ein Verbot des Trägervereins der umstrittenen Al-Nur-Moschee, in der wiederholt frauenfeindliche und fundamentalistische Predigten gehalten wurden.
Milieuschutz nur bedingt wünschenswert
Die besonders in Nord-Neukölln steigenden Mieten werden Giffey ebenfalls beschäftigen. Bisher war die Linie des Bezirksamts absichtlich abwartend: „Wir haben uns in der Vergangenheit beim Milieuschutz nicht so stark positioniert, weil wir erreichen wollten, dass die Gebiete nicht so stark segregiert sind“, so die Stadträtin. Andere Bezirke haben bereits Verordnungen erlassen, die etwa die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder von Geschäften in Bars verhindern sollen. In Neukölln wurde nun eine Milieuschutzstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Sommer vorliegen sollen. Etwaige Maßnahmen könnten Reuter- und Schillerkiez betreffen.
Britz gehört zu Franziska Giffeys Lieblingsecken in Neukölln. Dort sei sie „sehr gerne“ unterwegs, sagt die künftige Bürgermeisterin – etwa im Britzer Garten, auf dem Gutshof oder im Schlosspark. Auch der Körnerpark oder die quirligen Ecken von Nord-Neukölln sagen ihr zu. Sie erwähnt aber auch das Gemeinschaftshaus Gropiusstadt mit seiner „riesigen Bandbreite an kulturellen Veranstaltungen“. In der Mittagspause begnügt sich Giffey in der Regel mit einer zu Hause vorbereiteten Brotzeit. Einen Gastro-Tipp für die Umgebung hat sie aber: das italienische Restaurant Lavanderia Vecchia, gelegen in einer alten Wäscherei in der Flughafenstraße.