Berliner Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez

Orgel-Ebi: "Toll, was aus der Stadt geworden ist!"

So kennen die Berliner "ihren" Orgel-Ebi.
So kennen die Berliner "ihren" Orgel-Ebi.
Brunnenviertel - Wir haben mit dem ältesten aktiven Drehorgelspieler der Stadt über sein Leben und seine schönsten Erlebnisse  in der Hauptstadt gesprochen.

Eberhard Franke – besser bekannt unter dem Namen Orgel-Ebi – kennt fast die ganze Stadt. Und fast die ganze Stadt kennt ihn. Seit 1980 ist der gebürtige Berliner mit seinem Leierkasten unterwegs, um an allen Ecken und Enden Berlins seine Lieder zum Besten zu geben. Wer ihn noch nicht live erlebt hat, kennt Orgel-Ebi vielleicht auch von jenem weltberühmten Foto, das ihn im Februar 1986 vor der Glienicker Brücke zeigt, auf der an dem Tag der letzte Agentenaustausch zwischen den USA und der Sowjetunion stattfand. „Ich hatte damals in der Zeitung von dem geplanten Austausch gelesen und war dann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort“, erinnert sich Franke.

Den Riecher für den richtigen Moment hat der Leierkastenmann häufiger. So freut er sich zum Beispiel noch immer über den Gruß von Queen Elizabeth. Als diese 1987 im Berliner Zoo einen Gedenkstein einweihte, stellte der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen ihr kurzerhand das anwesende Berliner Original, sprich den fleißig kurbelnden Orgel-Ebi vor.  Auch vielen andere Berühmtheiten, etwa dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, Ronald Reagan oder Klaus Wowereit, ist Eberhard Franke in seinem „zweiten Leben“ als Drehorgelspieler bereits begegnet.

Wie Orgel-Ebi zum Leierkasten kam

Begonnen hat alles im Jahr 1980 als ein etablierter Leierkastenmann Franke für eine kurze Zeit seine Drehorgel überließ. Sofort war dieser Feuer und Flamme für das mechanische Musikinstrument: „In jener Nacht kam ich total aufgelöst nach Hause und berichtete sofort [meiner Frau] Rosemarie, dass ich mir einen Leierkasten zulegen wolle. Zunächst war sie skeptisch – doch als ich am nächsten Morgen aufwachte, saß sie bereits am Küchentisch, um irgendwo ein Instrument für mich aufzutreiben.“ Heute besitzt Orgel-Ebi zwei Drehorgeln, eine ist im Wohnzimmer, die andere im Keller des Wohnhauses in der Ruppiner Straße im Wedding untergebracht. Hier lebt der Witwer Eberhard Franke bereits seit 1976 – er und seine Frau gehörten zu den ersten Mietern in der neu errichteten Wohnanlage.

Lange stehen die Drehorgeln jedoch nicht ungenutzt herum. Sogar im Alter von 84 Jahren ist Franke regelmäßig mit seinem Leierkasten in der ganzen Stadt unterwegs. Der Drehorgelspieler wendet sich dabei keinesfalls nur an ein älteres, nostalgisches Publikum. Im Gegenteil: „Vor allem viele junge Leute mögen Orgel-Ebi“, so Franke. Das führt mitunter zu dem einen oder anderen ungewöhnlichen Auftrag. „Am Sonntagvormittag spiele ich oft im Mauerpark. Dort wurde ich erst kürzlich von einem jungen Mann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Ende Juni mitten in der Nacht für die Besucher einer Party am Ostkreuz zu spielen.“ Diese Gelegenheit ließ sich Orgel-Ebi, der aufgrund des Lärmschutzes normalerweise zu später Stunde aufs Musizieren verzichten muss, natürlich nicht nehmen.

Auch beim 33. Internationalen Drehorgelfest, das Anfang Juli in der City West stattfindet, kann Eberhard Franke seinen Leierkasten dort bedienen, wo es eigentlich nicht erlaubt ist. „Heute darf auf dem Ku’damm ab der Nürnberger Straße keine Musik mehr gemacht werden. Ob auf dem Wittenbergplatz oder vor dem KaDeWe – nirgendwo darf ich mit meiner Drehorgel stehen. Das liegt auch daran, dass die alten Berliner alle nicht mehr da sind und die neuen Chefs keinen Bezug zu der Tradition der Leierkastenmänner haben“, bedauert er.

Ein bewegtes Leben

Franke, der 1944 aus der Kinderlandverschickung nach Berlin heimkehrte, sich trotz fehlender Schulbildung  als Büro- und Kassenbote, Fahrer und Zeitungspacker beim Ullstein Verlag hocharbeitete und erst in den 80er Jahren aus dem Betrieb ausschied, hat diese Tradition noch hautnah miterlebt. „Nach dem Krieg haben sich viele Invaliden als Drehorgelspieler ein Zubrot verdient. Und wenn nicht der Hauswart dem Ganzen einen Riegel vorschob, konnten sie sogar durch die Hinterhöfe ziehen“, erinnert er sich. Auch an seine jungen Jahre denkt Berlins wohl bekanntester Leierkastenmann gerne zurück. Damals sei Franke oft und gerne in der „Kleinen Weltlaterne“ und  in den Clubs von Rolf Eden zu Gast gewesen. „Den Rolf kenne ich heute noch“, so Franke.

Mit Berlins Entwicklung in den letzten Jahrzehnten ist Orgel-Ebi, der als einer der ersten durchs Brandenburger Tor zog, begeistert: „Wenn man die Bombennächte und den Krieg erlebt hat, weiß man, das früher die ganze Welt gegen uns war. Es ist toll, wie sich Berlin seitdem gewandelt hat. Heute sind hier sämtliche Kulturen vertreten und die Stadt ist eine echte Hauptstadt geworden!“

Das 33. Internationale Drehorgelfest findet vom 5. bis zum 7. Juli jeweils von 11 bis 21 Uhr rund um den Breitscheidtplatz in der City West statt. Auch Orgel-Ebi ist in diesem jahr wieder mit von der Partie.

Orgel-Ebi: "Toll, was aus der Stadt geworden ist!", Ruppiner Straße, Berlin

Weitere Artikel zum Thema

Wohnen + Leben
Steffen Groths Vegan-Paradies
Der Schauspieler ("Doctor’s Diary") hat in seinem Kiez in Pankow an der Grenze zu Prenzlauer […]
Wohnen + Leben | Durch den Kiez
Wenig Rangeleien im Wrangelkiez
Bestseller-Autor Christian von Ditfurth lebt erst seit Mai 2011 im Viertel und hat als Zugezogener […]