Sobald es dunkel ist, geht sie lieber mit ihrem Hund auf der Straße entlang. Nachts hat sie schon einmal vom Schlafzimmerfenster aus einen Mann am Boden liegen sehen, auf den ein Polizist seine Waffe richtete. Auch Schüsse hörte sie schon mal fallen. Das ist für Tina Schürmann in ihrem Kiez rund um die Badstraße zwar nicht alltäglich, aber sie hat trotzdem schon einiges erlebt. „Ich wohne eigentlich in einem Brennpunkt, aber das finde ich gerade spannend“, erklärt sie. „Vor einem Jahr suchte ich eine Wohnung. Ich wollte mich vergrößern, aber zu einem angemessenen Mietpreis. Mitte und Prenzlauer Berg sind gleich nebenan, eine Freundin wohnte bereits hier und dann habe ich in einem wunderschönen denkmalgeschützten Haus eine große Wohnung gefunden.“
Von der Tucholsky- in die Badstraße
Eingezogen ist sie in einen 140 Quadratmeter großen Altbau, das Luisenhaus, das mit roten, weißen, gelben und grünen Klinkern verkleidet wirklich schön anzusehen ist. Direkt nebenan fließt die Panke. Viele schöne alte Häuser stehen in der Nachbarschaft. Eigentlich ein hübscher Kiez. Aber es ist eben die Badstraße, eine Straße, in der auch sehr viele Polizeieinsätze gezählt werden. „Von der Tucholskystraße, wo ich vorher zehn Jahre gewohnt habe, hierherzuziehen war für mich eine große Umstellung“, erzählt die Agenturinhaberin. Dort wollten die Vermieter allerdings für 60 Quadratmeter über 1.000 Euro Miete haben.
„Zudem wurde mir die Gegend viel zu touristisch. Es gab keine Berliner mehr an ‚meinen‘ Orten“, so die gebürtige Bielefelderin, die vor 13 Jahren in die Hauptstadt zog. „Ich finde meinen jetzigen Kiez wesentlich vielschichtiger. Hier ist Streetlife, es ist authentisch, edgy, es gibt Gegensätze – deshalb bin ich damals nach Berlin gekommen, weil genau das die Stadt ausgemacht hat. Hierher ziehen auch die jungen Künstler, weil sie das kreative, eben nicht aalglatte Umfeld lieben. Allerdings herrscht auch noch viel Armut.“
Perlen im Kiez
Mit ihren direkten Nachbarn kommt Tina Schürmann prima klar. „Ich habe um die Ecke einen netten türkischen Pizzalieferdienst. Die Jungs klingeln schon mal bei mir, um mir zu sagen, dass ich mein Autofenster nicht hoch gemacht habe. Die passen auf mich auf“, erzählt sie schmunzelnd. „Und im türkischen Café gegenüber bekomme ich immer leckere Kekse geschenkt. Man kennt sich untereinander und deshalb fühle ich mich mittlerweile auch ganz wohl.“ Selbst wenn ihr ein Italiener, Thai-Imbiss oder klassisch deutscher Bäcker direkt um die Ecke manchmal fehlen. „Dafür ist hier noch alles möglich“, meint Schürmann, „der Kiez entwickelt sich, das finde ich toll!“
Und natürlich gibt es im Wedding auch schon jetzt einige schöne Orte, die einen Ausflug lohnen – wenngleich die Perlen vielleicht nicht ganz so offensichtlich auf der Straße liegen wie beispielsweise in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg. Zu Tina Schürmanns Lieblingsadressen gehören im Sommer das Café Auszeit im Sprengelkiez zum Schön-draußen-sitzen oder die Uferstudios, in denen mal getanzt wird, mal Ausstellungen stattfinden oder die Grünen ihren Parteitag abhalten. Ihr absolutes Highlight ist das Café Pförtner. „Das ist ein italienisches Restaurant, bei dem auch mal Corinna Harfouch sitzt, aber eben auch Berliner, Künstler – alles, nur keine Touristen“, sagt die PR-Agentin. „Zu finden ist der ‚Pförtner‘ auf dem ehemaligen BVG-Gelände, das ist echt der Hammer!“
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