Beliebte bis legendäre Clubs wie die Griessmühle sind in Gefahr, verdrängt zu werden. Dr. Motte möchte deshalb elektronische Tanzmusik von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkennen lassen. In der Philharmonie Berlin scheint es bereits so weit zu sein: Die herausragende Berliner Kulturinstitution widmet Techno im weiteren Sinne erstmals ein eigenes Festival namens Strom. Wo sonst die Connaisseure klassischer Musik gebannt den hauseigenen Philharmonikern oder hochkarätigen Gastmusiker*innen lauschen, wird es im Februar elektronisch und tanzbar.
Ein bedingungsloser Rave ist bei Strom natürlich nicht zu erwarten. Über die auftretenden Künstler*innen steht in der Vorankündigung: „Ihr Schaffen basiert auf repetitiver elektronischer Musik, weist jedoch weit über die Grenzen funktionaler Clubmusik hinaus.“ Doch Kurator Stefan Goldmann, der auch selber auftreten wird, vereint in seinem Programm Experiment und Tanzfläche. Der Große Saal der Philharmonie Berlin bleibt bestuhlt und bildet die Bühne für audiovisuelle Darbietungen, in die man sich dort bequem vertiefen kann. Mehr Bewegung wird auf den verschiedenen Ebenen des Foyers herrschen, wo die DJs tanzbareren Sound auflegen. Im Hermann-Wolff-Saal zeigt Robert Henke während des Festivals seine Installation Phosphor, die ganz ohne Klang auskommt – bekannt wurde Henke als Musiker und Mitentwickler der Software Live, die zu einem Standard in der elektronischen Musik geworden ist.
Legenden und der Sound of Now
Gespannt sind wir, wie sich die österreichischen Downtempo-Heroen Kruder & Dorfmeister im Großen Saal machen. Ihr Set könnte sich an ihre Private Collection-Mixe anlehnen, die sie speziell „für intimes Hören“ veröffentlicht haben. Ein unter anderem vom Tresor-Label bekannter Name der Neunziger, der Chilene Cristian Vogel, hat sich inzwischen von der Clubmusik abgewendet. Von ihm dürfen wir ein elektronisches Gesamtkunstwerk erwarten, das auch Objekte miteinbezieht. Oder eine „digitale Form des experimentellen Musiktheaters“, wie es in der Ankündigung heißt. Für die audiovisuelle Performance des Japaners Ryoji Ikeda wird sogar der Saal abgedunkelt.
Sehr international und vielseitig geht es auch auf der Tanzfläche zu. Die aus Sibirien stammende Nina Kraviz wurde vor über zwei Jahren durch ihren Auftritt beim Essential Mix, der legendären DJ-Mix-Radioshow der BBC, geadelt. Ihr unglaublich abwechslungsreicher Techno- und House-Sound mit gelegentlichen Ausflügen in dessen Geschichte dürfte auch im Foyer der ehrwürdigen Philharmonie Berlin zu dem ein oder anderen Jubelschrei beitragen. Außerdem dabei ist Kink aus Bulgarien, der vor allem für seine Live Acts bekannt ist. Die Tunesierin Deena Abdelwahed geht Techno arabisch an und auch beim Berliner Don’t DJ könnte es „exotisch“ klingen. Lustig bis ironisch wird es wohl, wenn Voiski aus Frankreich einen Blick zurück bis hin zu Electro und Trance wirft. Aus Dänemark kommt die stark an Technologie orientierte Komponistin und Live-Performerin SØS Gunver Ryberg.
Du kannst das Strom Festival für elektronische Musik am Freitag, Samstag oder mit einem Festival-Pass an beiden Tagen besuchen. Derzeit sind noch Tickets in den beiden oberen Preiskategorien erhältlich (39 oder 52 Euro für einen Tag, 62 oder 89 Euro für beide Tage). Sie unterscheiden sich durch die Platzierung im Großen Saal; beim Tanzen im Foyer sind dafür alle gleich – wie es sich Techno einst auf die Fahnen geschrieben hatte.
Das Strom Festival findet am 8. und 9. Februar jeweils ab 20 Uhr in der Philharmonie Berlin statt. Weitere Infos bekommst du auf deren Webseite.