Der Diplom-Pädagoge wollte eigentlich ein gaaanz sachliches Sachbuch über das miese deutsche Schulsystem schreiben, auf Wunsch des Verlages wurde das etwas verdaulicher verpackt: Mit “Isch geh’ Schulhof” tummelt er sich jetzt seit 100 Wochen in der SPIEGEL-Bestseller-Liste herum. Sein neues Buch “Bin isch Freak, oda was!?” tritt – wenn auch vorsichtiger – in diese Fußstapfen. Neben Schulsystem und außergewöhnlichen Menschen hat er ein Herz für Atheisten, Humanisten und alle anderen Freidenker. Seine Rede “gottlos glücklich” bei Disput-Berlin ist schon jetzt fast legendär und gibt nur einen kleinen Einblick in seine gewitzte Rhetorik. Nächstes Jahr geht er mit seinem Programm auf Tour – wir freuen uns, dass wir ihn vorab live erleben durften!
AusserGewöhnlich Berlin: Eigentlich sind Sie ja Lehrer …
Philipp Möller: „Ich bin in erster Linie Lehrer-Kind und damit unfreiwilliger und geborener Klugscheißer. Das ist ganz furchtbar. Ich muss mich immer zurückhalten, andere nicht zu korrigieren. Das macht nämlich nicht besonders sympathisch. Lange habe ich mich dagegen gewehrt, in die Fußstapfen meiner Eltern zu treten und habe mich dann für einen Studiengang entschieden, der überhaupt nichts mit dem Beruf des Lehrers zu tun hat: Diplom-Pädagogik.
Nach meinem Auslandssemester in Ingolstadt ging ich nach Berlin zurück. Nach drei Bewerbungen und drei Absagen wurde mir eine Stelle mit dem Titel ‚Assistenz des Grundschulleiters‘ zugetragen. Also Kopierknopf drücken und so weiter. Irgendwann kam dann der Direktor und meinte:
‚Herr Möller, das läuft ja nun schon viel besser seitdem Sie da sind, wollen Sie nicht Lehrer werden?‘
‚Wieso? Ich habe doch gar nicht die richtige Ausbildung dafür!‘
‚Naja, können Sie rechnen?‘
‚Ja.‘
‚Ja, dann können Sie nach den Osterferien als Mathelehrer anfangen!’Später hieß es dann: ‚Herr Möller, speak you English?‘ Und ich sagte, ‚Yes, I can.‘ Zack – Englischlehrer. ‚Herr Möller, ich habe gehört, Sie spielen Gitarre?‘ – dann war ich Musiklehrer. ‚Herr Möller? Wie wär’s mit Sport?‘ – Sportlehrer. Das war meine steile Karriere zum Lehrer, die dann allerdings genau so abrupt endete, wie sie angefangen hat.“
Was sind Freaks?
P.M.: „Es gibt zwei Definitionen von ‘Freak’. Einmal ist Freak eine Beleidigung, ganz amerikanischer political correctness folgend. Aber heute ist ‚Freak‘ eher positiv konnotiert. Das ist eben einer, der sich sehr intensiv mit einer Sache auseinandersetzt. Der all seine Lebensenergie in ein Thema steckt. Zum Beispiel Fahrrad-Freaks, die sich über alles beschweren, was einen Zentimeter auf den Fahrradweg reicht. Oder Autofreaks, die kennt jeder, die sonntags ihr Auto per Hand polieren und ihm einen Namen geben. Um solche ‘Fortbewegungs-Freaks‘ geht es unter anderem auch in meinem Buch ‚Bin isch Freak, oda was!?‘ Menschen, die machen, was sie wollen. Bei vielen stört das auch keinen. Aber es gibt eben auch problematische Fälle. Nämlich dann, wenn die Freakness negative Auswirkungen auf das Leben anderer hat.
Einem Freak wollte ich mal die Hand geben, der wollte sie mir nicht geben und ich fragte wieso. Seine Antwort: ‘Das ist ein Geheimnis…’”
Wieso streiten Sie sich bsonders über Religion?
P.M.: „Ich bin geboren – wie jeder andere Mensch auch – ohne den Glauben an einen allmächtigen Schöpfergott, und dieser Glaube wurde mir eben auch nie anerzogen. Mein Vater ist Kirchenmusiker, trotzdem bin ich nicht religiös aufgewachsen. Kirche war für mich eigentlich immer nur der Ort, an dem mein Vater wunderschöne Musik auf der Orgel spielte und dabei regelmäßig unterbrochen wurde von einem Mann in lustiger Kleidung, der keinen Sex haben darf. Das war für mich das maßgebliche Image dieser Institution.
Dann kamen die drei großen ‚Ms‘: Mädels, Musik und Marihuana. Und da hatte Religion erst recht nichts in meinem Leben verloren. Bis ich mir dann im Studium der erkenntnistheoretischen Absurdität des Glaubens bewusst wurde und mir dachte: das ist zwar super freaky, aber die Gedanken sind frei, und damit eben auch frei zur Unvernunft – jeder hat schließlich auch das Recht sich zu blamieren! Aber wenn das Ganze dann politisch wird, dann habe ich ein Problem.
Danach habe ich angefangen, mich auf gesellschaftlicher Ebene damit auseinanderzusetzen. Ich habe zum Beispiel erfahren, dass 19,3 Milliarden Euro aus allgemeinen Steuergeldern in diese Parallelwelt fließen, die nicht verwendet werden für soziale Zwecke, sondern ausschließlich zur Aufrechterhaltung dieser Institution. Noch dazu werden Caritas und Diakonie zu 98% durch öffentliche Gelder finanziert, aber die Kirche darf die Arbeitsrechte bestimmen: Schwule, Lesben, Geschiedene, Wiederverheiratete, Muslime, Atheisten und Juden? Nicht erwünscht! Ein absoluter Skandal.
Was jeder Mensch glaubt, muss in einem freien demokratischen Land Privatsache sein. Wir brauchen aber keine Staatsreligion, die uns vorschreibt, was wir zu glauben haben oder wie beispielsweise medizinethische Themen bewertet werden.
Deshalb zielt mein Engagement und das der Giordano Bruno Stiftung auch eher in Richtung politische Arbeit, konkret die Trennung von Staat und Kirche, als auf die Kritik am persönlichen Glauben – denn den muss jeder für sich selbst finden, oder eben nicht. Ein letzter Satz: Wir müssen nicht einmal Geschichtsbücher bemühen, sondern ein Blick in die grausamen Nachrichten dieser Tage reicht als Beleg dafür, dass wir uns schleunigst und sehr, sehr kritisch mit Religion auseinandersetzen müssen.“
Dieser Artikel wurde uns zur Verfügung gestellt von AusserGewöhnlich Berlin: www.aussergewoehnlich-berlin.de