„Pornfilmfestival“ – das klingt wie Musik in meinen Ohren. Eine Woche lang feiert eine Szene sich und ihre Akteure in den zwei charmanten Kinos Babylon und Moviemento sowie an einigen anderen Locations. Und geht es nach mir, kann dieses Get-together gar nicht genug in den Himmel gelobt werden. Bezeichnend ist zuallererst, dass Berlin die einzige Stadt in Deutschland ist, die ein solches Festival auf die Beine stellt. Und das von einem Team Ehrenamtlicher, wie ich staunend erfuhr. Und dann ist es ja nicht irgendeine „Szene“, die hier ihre Arbeit präsentiert. Queer, feministisch, alternativ, independent, auf viele Produktionen und Akteur*innen treffen all diese Schlagworte zu. Und ich möchte an dieser Stelle nicht all das, was nicht diesen Kategorien entspricht, abwerten.
Pornfilmfestival in Berlin: Mehr als nur ficken
Ich gestehe einmal mehr, ich schaue manchmal auch stumpfe, heteronormative, klischeedurchtränkte Sexclips irgendwelcher US-amerikanischer Pornostars, die zu nichts mehr taugen als mir mit billigsten Mitteln zu einem kurzen Moment der Lust und einem schnellen Orgasmus zu verhelfen. Fast-Food-Fuck, sozusagen. Sogar Pokémon-Porno habe ich mir schon gegeben. Aber ich hatte ja bereits erwähnt, wie sehr es mich nach komplexerer und schlichtweg liebenswerter Pornografie dürstet – und damit ist natürlich kein Blümchensex gemeint. Sondern mit Lust produziertes Material mit menschlich agierenden und aussehenden Darsteller*innen abseits von stahlharten Riesenbrüsten und Riesenschwänzen in völlig unrealistischen und vor allem stereotypen Szenerien. Aber bekanntermaßen ist das Pornfilmfestival weit mehr als sexy content. Wie schon in den Jahren zuvor reicht ein kurzer Blick ins Programm, um zu erkennen: Diversität, Body Positivity und nicht zuletzt die gesellschaftliche und politische Funktion von Pornos spielen hier mindestens eine ebenso große Rolle wie die reine Lust, Befriedigung, das Feiern von Sex. Manche Beiträge mögen in ihrem Anspruch fast ein bisschen einschüchternd klingen. Aber ist das nicht bei jeder Veranstaltung so, die sich im Raum der Kunst bewegt? Ich werte das in diesem Kontext als ein absolut gutes Zeichen.
Aber genug der Vorrede, jetzt kommt der Service. Ich habe mich mal durch das Programm gewühlt und nach Beiträgen für das Wochenende geschaut, die – nicht unwichtig – noch Tickets im Angebot haben. Die mich aber vor allem mit ihrem Thema anteasen und gleichzeitig als Beispiel für die Vielfalt des Pornfilmfestivals 2019 stehen können. Und das sind nicht nur Filme, sondern auch Workshops, Panels und, klar, eine Party. Hier kommen erstmal meine Filmtipps.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Filmtipps zum Pornfilmfestival: MILFs, Dracula und Leder
MILF Shorts – Moviemento
„MILF Shorts“, wie bitte? Das klingt ja unerhört. Haben wir nicht gelernt, dass die Abkürzung für „Mother i would like to fuck“ eher in die Welt schwitzig-erregter Teenager gehört? Mag sein, aber dieser neue Programmpunkt des Pornfilmfestivals 2019 nutzt erstmals die Chance, um dem Begriff etwas Gutes abzugewinnen: Dass „das Sexleben weitergeht, auch wenn man Mutter wird.“ So einfach kann es sein. Wer Tickets für die Veranstaltung am 25. Oktober um 14.15 Uhr ergattert, bekommt anhand dreier Kurzfilme dreier Produzentinnen vorgeführt, wie Schwangerschaft, Mutterschaft und Sex in einem Porno aussehen können.
mehr Infos und Tickets gibt es hier
Berlin Porn Shorts – Moviemento
„Geeignet für Besucher*innen und Einheimische“ – putzige Beschreibung für diesen Teil des Programms, der Kurzfilm-Beiträge mit Berlin-Fokus präsentiert. Vor allem der Hinweis, dass hier die „bizarrsten Partys“ der Hauptstadt eine Rolle spielen, hat mich natürlich gekriegt. Ob bekannte oder unbekannte Einblicke in die Fetisch- und Sexpartyszene Berlins, ich finde, das klingt auf jeden Fall sehenswert. Vier Filme zwischen acht und 36 Minuten sind geplant. Und offenbar spielt bei einem das Thema Leopard eine entscheidende Rolle. Am 25. und nochmal am 30.10. habt ihr die Chance, mehr zu erfahren.
mehr Infos und Tickets gibt es hier
Dracula is not dead – Moviemento
Als ich diesen Filmtitel gelesen habe, musste ich sofort an ein Screening von Pornos der bekannten Regisseurin Erika Lust denken, bei dem ich vor ein paar Jahren war. Damals habe ich mich schon sehr über einen (Mentruations-)blutrünstigen Kurzfilm mit Vampir-Fantasie amüsiert. Und haufenweise Kunstblut, helle Kontaktlinsen und spitze Eckzähne haben es 2019 auch aufs Pornfilmestival geschafft. In Dracula is not dead von Luizo Vega geht es offenkundig weniger um explizite Sexszenen und gesellschaftliche Kontexte, sondern um eine Splatter-Party-Sause in Paris. Und zwar in Spielfilmlänge. Tatsächlich muss Dracula in der Modestadt eine Jungfrau finden, deren Blut er schlürfen kann, sonst ist er leider eben doch tot. Auf dem Weg dorthin, das verrät der Trailer, feiert eine queere Meute anderer Vampire eine wilde Sexparty. Am 24.10. um 23 Uhr und am 25.10. um 23.59 Uhr wird der Film gezeigt.
mehr Infos und Tickets gibt es hier
Mr. Leather – Moviemento
Das klingt natürlich auch irgendwie nach Klischee: Mr. Leather, ein Beitrag über die schwule Lederszene. Ich finde es trotzdem sehr spannend, weil es erstens ein Dokumentarfilm ist, zweitens in Sao Paulo spielt und drittens einen sehr differenzierten Blick auf die Szene wirft und auch „ganz Alltägliches“ aus dem Leben der Protagonisten zeigt, die in einem Wettbewerb um den Titel des „Mr. Leather“ kämpfen. Das steht nicht nur im Programm, das suggeriert auch der Trailer, der mich total überzeugt. Am Freitag und Samstag wird der Film um 20 bzw. 14.30 Uhr gezeigt.
mehr Infos und Tickets gibt es hier
Pornfilmfestival 2019: Workshops, Panels und Party
Fuck me in the ear – Location tba
Wie schon angedeutet können Besucher auch – abseits dessen, was sie aus den Filmen mit in die eigenen Betten nehmen – ganz konkret etwas lernen. Neben Workshops zu Awareness und Consent gibt es auch die Möglichkeit, einen Audio-Porno zu drehen. Idee der Veranstaltung von Dick Twitch und Venus Flytrap ist es, erotischen Content lediglich mithilfe von Geräuschen zu produzieren, vom Stöhnen bis zum Klatschen einer Gerte auf den nackten Hintern. In Gruppen sollen Konzepte erarbeitet und die Ideen auch produziert werden, sodass am Ende jeder seinen DIY-Porno mit nach Hause nehmen kann. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Los geht es am Samstag um 12.30, die Anmeldung erfolgt per Mail.
mehr Infos gibt es hier
Navigating the Gentrified World of Feminist Porn; What Full-service Sex Workers Want You to Know: A panel discussion – Aquarium
Puh, ja, uff, den Titel muss man erstmal verdauen. Aber für mich zählt die Idee dahinter. In diesem Panel treffen sich internationale LGBTQI*-Sexarbeiter*innen und sprechen über ihre Arbeit. Und die spaltet oftmals nicht nur konservative Beobachter, sondern löst bei ganz unterschiedlichen Menschen ganz unterschiedliche Gefühle und Assoziationen aus. Und auch innerhalb der Szene scheint es Kontroversen zu geben. In dieser Diskussion rückt das Thema Gentrifizierung in den Fokus. Welche Sexarbeit und welche Sexarbeiter*innen sind denn heute noch schützenswert, zeitgemäß und glamourös und welche nicht? Vier „Full Service“-Sexworker sprechen über die Herausforderungen einer Industrie im Wandel. Los geht es am Samstag um 15.30 Uhr im Aquarium in der Skalitzer Str. 6, der Eintritt ist frei.
mehr Infos gibt es hier
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Pornfilmfestival Party – Burg Schnabel
Kein Festival ohne Party, das gilt auch fürs Pornfilmfestival in Berlin. Zur besten Feierzeit kommen Teilnehmer und Gäste in der Burg Schnabel in Kreuzberg zusammen, um zu tanzen, zu trinken, zu knutschen, oder was auch immer man eben beim Feiern im Club gerne so macht. Special Highlight: Eine Performance von Künstlerin FRZNTE, die, das verrät Instagram, ziemlich starken Pole-Dance macht und auch selbst Teil der Filmbeiträge ist. Auf zwei Floors gibt es eine ganz spannend klingende Mischung aus Hip-Hop, R’n’B und Electro. Um 23 Uhr geht es los. Über einen möglichen Dresscode ist nichts zu lesen.
‚mehr Infos gibt es hier
So denn, gut, dass ich mir das mal für euch alles durchgelesen habe – ich gehe auch zu dem ein oder anderen Film, vielleicht sieht man sich 😉
Eure Mascha