Der ganze Wedding ist unter der Herrschaft tiefkühlender Aufbackfabriken, mit ihren geschmacklosen Billigbrötchen. Der ganze Wedding? Nein, in einer kleinen Seitengasse der Reinickendorfer Straße, weigert sich eine kleine Bäckerei etwas anderes als Qualitätsprodukte herzustellen – sehr zur Freude derer, die diesen Geheimtipp kennen. Ausgerechnet unweit des riesigen Pharmakonzerns mit dem „Bayer“ im Namen, weigert man sich Chemie und Zusatzstoffe einzusetzen und setzt auf traditionelle Handarbeit.
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Bio-Bäckerei Bucco: Von Hand statt mit Chemie

Das Angebot in der Bio-Bäckerei Bucco kann sich sehen lassen.
Foto: Weddingweiser - ©Marcel Nakoinz
Gesundbrunnen - Die Bio-Bäckerei Bucco ist die wohl einzige Adresse im Wedding, in der man ausschließlich selbst hergestelltes Backwerk bekommt …
Die gelernte Bäckerei-Fachverkäuferin wäre um ein Haar Tierpflegerin oder Gartengestalterin geworden. Letztlich folgt sie aber dem elterlichen Rat, doch etwas „Anständiges“ zu werden. Während der dreijährigen Ausbildung an der Berufsschule lernt sie dann auch ihren späteren Ehemann kennen. Nach einigen Zwischenstationen als Floristin, Obstverkäuferin und Verkäuferin in diversen Bäckereien ergibt sich vor acht Jahren dann die Chance, zusammen mit ihrem Mann, selbst gelernter Bäcker- und Konditormeister, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Dabei muss das Bio-Brot in den frisch erworbenen Räumlichkeiten nicht völlig neu erfunden werden. Die Bäckerei mit Backstube existiert an diesem Standort schon seit über 60 Jahren. Der Vorgänger hat hier schon seit 20 Jahren einen Bio- und Vollkornbäckerei betrieben, jedoch derart schlecht gewirtschaftet, dass die Buccos fast bei Null anfangen müssen. Doch der Zeitpunkt konnte kaum günstiger gewählt werden. „Der Trend zur bewussten Ernährung kam schon damals auf und so führten wir die Bio-Idee weiter und stockten das Sortiment mit unseren eigenen Ideen auf“, so Bucco.
Von anderen Bio-Bäckern hebt die Buccos vor allem die Vielfalt der Produkte ab. „Unsere Kunden schätzen besonders, dass wir konventionelle Waren in Bioqualität anbieten. Bei uns muss nicht alles aus Vollkorn bestehen und bei uns darf auch bei aller gesunden Ernährung ein Gebäck die eine oder andere Puderzucker- oder Schokoglasur zieren. Wir haben viele alte deutsche Backwaren, die schon fast vergessen wurden wiederentdeckt“, sagt Bucco. Für sie muss Bio nicht langweilig aussehen und auch nicht unbezahlbar sein.
Es mag auf den ersten Blick nicht so recht passen. Ein Bio-Bäcker im Wedding. Bei näherer Betrachtung ergibt das aber durchaus Sinn. „Wir bemerken an der Klientel hier im Laden, wie sich der Wedding mit der Zeit ändert“, so Bucco. „Er wird immer jünger. Immer mehr Studenten und junge Familien ziehen hier her, weil die Wohnungen noch bezahlbar sind. Man merkt wie Mitte immer mehr zu uns überschwappt.“ Vor acht Jahren begegnete man Bucco noch eher skeptisch. Man wunderte sich warum hier die Brötchen etwas teurer waren, als beim Aufbackbäcker um die Ecke. Doch mit etwas Aufklärungsarbeit, hatte sie sich schnell einen großen Stammkundenkreis aufgebaut, der sich nicht mehr mit chemisch produzierter und haltbar gemachter Ware zufrieden gab. Immer mehr Menschen legen heute Wert darauf, genau zu wissen, was in ihrem Essen enthalten ist und woher die Inhaltsstoffe kommen. So beziehen die Buccos die Schrote und Mehle für ihre Brote von einer familienbetriebenen Mühle aus dem Spreewald und weitere Rohstoffe über einen Biogroßhändler der Region.
Bucco arbeitet sechs Tage die Woche, sieben Stunden am Tag. Vorausgesetzt, niemand der sechs Mitarbeiter im Betrieb ist krank. Sonst kann daraus auch schon mal eine 70-Stunden-Woche werden. „So ist das eben wenn man selbstständig ist“, sagt Bucco und lacht. „Wie es das Wort schon sagt: ‚Selbst‘ und ‚Ständig‘. Man ist immer und zu jeder Zeit für alles verantwortlich.“ Das gilt auch dann, wenn sie sich wie im letzten Jahr durch einen bösen Sturz das Steißbein bricht. Sie steht trotzdem jeden Tag im Laden. Viel Zeit für Privatleben bleibt da nicht, denn obwohl sie mit Ihrem Mann im selben Betrieb arbeitet, geben sie sich meist nur die Klinke in die Hand. Wenn sie schlafen geht, steht er schon wieder in der Backstube.
Wieder auf der Straße bleibt einem der Duft der Brote noch lange in der Nase. Auf den Tüten, mit denen die Kunden das Geschäft verlassen, steht in großen Lettern „Tradition“. Das ist aber nicht alles was man hier bekommt, denn Bio ist im Kommen, sogar im Wedding.
Diesen Artikel stellte uns der Weddingweiser zur Verfügung. Mehr über die schönen Seiten des Wedding lest ihr hier.
Quelle: Weddingweiser