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Bio-Bäckerei Bucco: Von Hand statt mit Chemie

Das Angebot in der Bio-Bäckerei Bucco kann sich sehen lassen.
Das Angebot in der Bio-Bäckerei Bucco kann sich sehen lassen.
Gesundbrunnen - Die Bio-Bäckerei Bucco ist die wohl einzige Adresse im Wedding, in der man ausschließlich selbst hergestelltes Backwerk bekommt …

Der ganze Wedding ist unter der Herrschaft tiefkühlender Aufbackfabriken, mit ihren geschmacklosen Billigbrötchen. Der ganze Wedding? Nein, in einer kleinen Seitengasse der Reinickendorfer Straße, weigert sich eine kleine Bäckerei etwas anderes als Qualitätsprodukte herzustellen – sehr zur Freude derer, die diesen Geheimtipp kennen. Ausgerechnet unweit des riesigen Pharmakonzerns mit dem „Bayer“ im Namen, weigert man sich Chemie und Zusatzstoffe einzusetzen und setzt auf traditionelle Handarbeit.

Wer den Laden von Daniela Bucco betritt, dem steigen sofort mannigfaltige Düfte allerlei Brote und Gebäcke in die Nase, die sofort den Appetit anregen. Fast 100 verschiedene Waren hat Bucco in ihrem Sortiment. Hier gibt es noch echten Prasselkuchen. Ein altes Berliner Traditionsgebäck, das man fast nirgends mehr findet. Leckereien wie die „Energiebällchen“, das sind Marzipankugeln mit Honig, Rosinen, Nüssen und Sonnenblumenkernen, umhüllt von Kokosraspeln, lassen nicht nur Kinderaugen größer werden, sondern auch den Erwachsenen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die 45-jährige Berlinerin schwört auf ihr Vollkornbrot. „Wenn Sie ein richtiges Brot aufschneiden, dann verströmt das ein Aroma“, schwärmt Bucco. Die Italiener mögen ihre Ciabattas haben und die Franzosen ihre Croissants, aber Weißbrot hat für sie keinen nennenswerten eigenen Duft oder Geschmack. Buccos Brote hingegen schmecken schon mit einem simplen Butteraufstrich. Ihr Kassenrenner, der „Kräuterritter“, ist ein feines Roggenbrot mit verschiedenen Gewürzen und frischen Fenchelsprossen. Die Nüsse in ihren Haselnuss- und Walnussbroten schaffen es noch in den Teig hinein und verkommen nicht zur bloßen Dekoration, wie in den Tiefkühlbackstuben.
 

Trendsetter im Wedding

 
Die gelernte Bäckerei-Fachverkäuferin wäre um ein Haar Tierpflegerin oder Gartengestalterin geworden. Letztlich folgt sie aber dem elterlichen Rat, doch etwas „Anständiges“ zu werden. Während der dreijährigen Ausbildung an der Berufsschule lernt sie dann auch ihren späteren Ehemann kennen. Nach einigen Zwischenstationen als Floristin, Obstverkäuferin und Verkäuferin in diversen Bäckereien ergibt sich vor acht Jahren dann die Chance, zusammen mit ihrem Mann, selbst gelernter Bäcker- und Konditormeister, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Dabei muss das Bio-Brot in den frisch erworbenen Räumlichkeiten nicht völlig neu erfunden werden. Die Bäckerei mit Backstube existiert an diesem Standort schon seit über 60 Jahren. Der Vorgänger hat hier schon seit 20 Jahren einen Bio- und Vollkornbäckerei betrieben, jedoch derart schlecht gewirtschaftet, dass die Buccos fast bei Null anfangen müssen. Doch der Zeitpunkt konnte kaum günstiger gewählt werden. „Der Trend zur bewussten Ernährung kam schon damals auf und so führten wir die Bio-Idee weiter und stockten das Sortiment mit unseren eigenen Ideen auf“, so Bucco.
 
Von anderen Bio-Bäckern hebt die Buccos vor allem die Vielfalt der Produkte ab. „Unsere Kunden schätzen besonders, dass wir konventionelle Waren in Bioqualität anbieten. Bei uns muss nicht alles aus Vollkorn bestehen und bei uns darf auch bei aller gesunden Ernährung ein Gebäck die eine oder andere Puderzucker- oder Schokoglasur zieren. Wir haben viele alte deutsche Backwaren, die schon fast vergessen wurden wiederentdeckt“, sagt Bucco. Für sie muss Bio nicht langweilig aussehen und auch nicht unbezahlbar sein.
 
Die zierliche Frau mit gelber Schürze und modischer Brille lacht herzlich, wenn sie mit ihren Kunden spricht. Die meisten kennt sie schon lange. Mit vielen duzt sie sich. In die kleine Seitenstraße verirren sich nur selten Touristen. „Die meisten unserer Kunden sind Stammgäste und besuchen uns beinahe täglich“, so Bucco. Zwischen 100 und 200 Kunden betreten täglich das kleine Geschäft, so dass der Bewegungsmelder an der Tür selten Pause hat. Handwerker, Büroangestellte, Studenten und Rentner, Eltern mit ihren Kindern, alles kommt und geht. Da wird überlegt, sich entschieden, sich umentschieden oder einfach nur über das Wetter gefachsimpelt.
 
Es mag auf den ersten Blick nicht so recht passen. Ein Bio-Bäcker im Wedding. Bei näherer Betrachtung ergibt das aber durchaus Sinn. „Wir bemerken an der Klientel hier im Laden, wie sich der Wedding mit der Zeit ändert“, so Bucco. „Er wird immer jünger. Immer mehr Studenten und junge Familien ziehen hier her, weil die Wohnungen noch bezahlbar sind. Man merkt wie Mitte immer mehr zu uns überschwappt.“ Vor acht Jahren begegnete man Bucco noch eher skeptisch. Man wunderte sich warum hier die Brötchen etwas teurer waren, als beim Aufbackbäcker um die Ecke. Doch mit etwas Aufklärungsarbeit, hatte sie sich schnell einen großen Stammkundenkreis aufgebaut, der sich nicht mehr mit chemisch produzierter und haltbar gemachter Ware zufrieden gab. Immer mehr Menschen legen heute Wert darauf, genau zu wissen, was in ihrem Essen enthalten ist und woher die Inhaltsstoffe kommen. So beziehen die Buccos die Schrote und Mehle für ihre Brote von einer familienbetriebenen Mühle aus dem Spreewald und weitere Rohstoffe über einen Biogroßhändler der Region.
 

Wenn das rote Telefon zweimal klingelt

 
Bucco arbeitet sechs Tage die Woche, sieben Stunden am Tag. Vorausgesetzt, niemand der sechs Mitarbeiter im Betrieb ist krank. Sonst kann daraus auch schon mal eine 70-Stunden-Woche werden. „So ist das eben wenn man selbstständig ist“, sagt Bucco und lacht. „Wie es das Wort schon sagt: ‚Selbst‘ und ‚Ständig‘. Man ist immer und zu jeder Zeit für alles verantwortlich.“ Das gilt auch dann, wenn sie sich wie im letzten Jahr durch einen bösen Sturz das Steißbein bricht. Sie steht trotzdem jeden Tag im Laden. Viel Zeit für Privatleben bleibt da nicht, denn obwohl sie mit Ihrem Mann im selben Betrieb arbeitet, geben sie sich meist nur die Klinke in die Hand. Wenn sie schlafen geht, steht er schon wieder in der Backstube.
 
Wenn vor dem Tresen gerade kein Kunde steht, ruft meist die Büroarbeit. Kundenpflege, Mahnungen schreiben, Steuerberater kontaktieren. Da klingelt auch schon wieder das rote Telefon. Bucco verschwindet im Hinterzimmer. Ein weiterer Lieferauftrag. Diesmal nicht für einen Biomarkt oder ein Reformhaus, sondern einen Kindergarten. Ein weiteres Zubrot für Bucco. Doch bestellen sollte man lieber im Voraus. Denn was nicht mehr da ist, ist dann nicht mehr zu haben. Das unterscheidet einen richtigen Bäcker eben von Aufbackstuben, in denen immer alles bis zum Schluss angeboten und nach Ladenschluss wegegeworfen werden muss. „Da ist der Verbraucher selbst gefragt“, so Bucco. „Als Kunde sollte ich es nicht erwarten, das alles immer bis zum Schluss da ist. Was da täglich allein in Berlin an Lebensmitteln in den Müll wandert, weil nicht einmal die Tafeln diese Mengen abnehmen können, ist unvorstellbar.“
 
Wieder auf der Straße bleibt einem der Duft der Brote noch lange in der Nase. Auf den Tüten, mit denen die Kunden das Geschäft verlassen, steht in großen Lettern „Tradition“. Das ist aber nicht alles was man hier bekommt, denn Bio ist im Kommen, sogar im Wedding.
 
Diesen Artikel stellte uns der Weddingweiser zur Verfügung. Mehr über die schönen Seiten des Wedding lest ihr hier.

Quelle: Weddingweiser

Bio-Bäckerei Bucco, Ravenestr. 1, 13347 Berlin

Telefon 030 4617370


Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr
Samstag von 8 bis 13 Uhr

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