Irene Ziegler-Selle – der Name ist Programm: In seiner aktuellen Ausstellung zeigt das Forum des Deutschen Herzzentrums Berlin rund 80 Arbeiten der Malerin aus dem Raum Stuttgart. Ebenso wenig wie Ziegler-Selles Bilder hat die Werkschau am Augustenburger Platz einen Titel. „Jeder Titel schränkt die Freiheit des Betrachters ein“, begründet die Künstlerin den Verzicht. „Das will ich nicht. Meine Bilder soll jeder für sich entdecken.“
Mit der Ausstellung im Deutschen Herzzentrum gibt Irene Ziegler-Selle ihr Berlin-Debüt. Zu entdecken gibt es größtenteils großformatige Malereien in Acryl und Lack, Aerocolor und in den verschiedensten Mischtechniken – überwiegend abstrakte Werke, allesamt farbintensiv, vielfach hochdynamisch gepinselt und nicht selten explosiv gespritzt, gespachtelt, gekratzt: genauso energiegeladen wie die experimentierfreudige Künstlerin selbst. „Mehr denn je reizen mich im Moment ausgefallene Materialien“, sagt Ziegler-Selle über ihre aktuelle Arbeit.
Ausgefallene Arbeiten und Werke mit Berlin-Motiven
Mit „ausgefallenem Material“ kann einmal eine Aluminiumplatte mit einem satten Auftrag aus Aerocolor- und Lackfarbe gemeint sein. Ein anderes Mal ein mit Spachtelmasse und bunten Pigmenten bearbeitetes Stück Mammutbaumrinde. Besonders auffällig auch ein beidseitig bemaltes Alublech. Die experimentelle Arbeit zeigt auf der einen Seite ein figuratives Lackbild in Schwarz und Rot. Auf der anderen Seite eine Art Collage mit Perlen und Eisenspänen. O-Ton Irene Ziegler-Selle: „Es war ein erster Versuch. Offen gestanden bin ich von dem Ergebnis selbst überrascht.“
Ausdrucksstark, aber nicht annähernd so abstrakt wie das Gros der Ausstellungsstücke, sind sechs Arbeiten mit vier Berlin-Motiven: Alexanderplatz und Gedächtniskirche, Monument Men und der Dom – vier groß-, zwei kleinformatige Collagen: eine Hommage an die Hauptstadt. Der Alex auf Leinwand zählt zu den wertvollsten Arbeiten der Ausstellung: „In dem Bild stecken viele Wochen Arbeit“, sagt die Künstlerin. „Es ist einmalig: Ich denke nicht, dass es mir genau so ein zweites Mal gelingen würde.“
Malerin aus Leidenschaft
Irene Ziegler-Selle, geboren 1946 in Arnsberg, studierte Sozialpädagogin und seit 2009 pensionierte Lehrerin, ist Malerin aus Leidenschaft. „Sie vibriert förmlich vor schöpferischer Kraft, die sie in einer bemerkenswerten Vielseitigkeit auslebt“, sagt Prof. Helge Bathelt, Leiter der Volkshochschule in Herrenberg, der die Entwicklung der Künstlerin seit geraumer Zeit beobachtet – und dessen Wortgewalt den „Farbstürmen“ der Künstlerin auf Augenhöhe begegnet. In den Arbeiten Ziegler-Selles sieht der Kritiker „Kaskaden von Farbe in Bündelung und Auflösung, explosiv bis an den Rand des Gestalterischen, Kraftakt in der Entstehung und ein Feuerwerk im Erreichten.“
In den Gängen des Deutschen Herzzentrums, wo ansonsten eher gedeckte Farben dominieren, entfalten die Bilder Irene Ziegler-Selles eine besondere Wirkung. Wie gut, dass sie dabei unter sich sind. „Der Intensität solcher Bildapparate nach ist es schwer vorstellbar“, so Helge Bathelt einmal, „dass sich eine typische Arbeit dieser Künstlerin mit einem fremden Werk in Hängenähe kombinieren ließe. Ziegler-Selles Arbeiten sind Besatzer für die ihnen zugewiesenen Wände.“
Die Ausstellung im Deutschen Herzzentrum am Augustenburger Platz dauert voraussichtlich noch bis Ende des Jahres. Vernissage der Werkschau „Irene Ziegler-Selle“ ist am Freitag, dem 23. August, um 19 Uhr. Zur Begrüßung spricht der Ärztliche Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, Prof. Dr. Roland Hetzer. Der Journalist Lutz Krieger führt in die Ausstellung ein. Die Künstlerin selbst wird an dem Abend anwesend sein. Weitere Infos finden Sie hier.