Dirk Moldt ist gelernter Uhrmacher. Heute verdient er sein Geld ganz anders, möchte man meinen. Dabei hat auch seine jetzige Profession mit Zeiten und Zeigen zu tun: Moldt ist Historiker. Keiner von den verstaubten, sondern einer, mit dem jeder Geschichte (er-)leben kann. Das stellt er gerade mit seiner „Kleinen Prenzlauer Berg Geschichte“ unter Beweis.
Von wegen Widerstands-Bezirk und Helmholtz-Kiez
160 Seiten geballte Information und trotzdem ein unterhaltsames Buch? Bei Moldt klappt dieser Spagat wunderbar. Beim Lesen hat man das Gefühl, von einem Kumpel an die Hand genommen und durch sein Berliner Leben geführt zu werden. Von jemandem, der sich auskennt mit der DDR und dem, was lange vorher war, mit Widerstand und Arbeiterleben, dem Großen und Ganzen. Vielleicht kommt Moldt dabei seine Erfahrung als Stadtführer zugute. Auf jeden Fall merkt man, dass er den Prenzlauer Berg nicht nur beobachtet. Er äußert auch seine Meinung zu diesem Ort, der Gefahr laufe, das zweite Steglitz-Zehlendof zu werden.
Der Berlin-Experte desillusioniert alle, die den Prenzlauer Berg als frühere Hochburg oppositioneller Künstler begreifen, widmet sich ausführlich seiner Brauerei-Kultur und den Besonderheiten einzelner Kieze. Außerdem lehrt er noch dem letzten „Etepetete-Beamten“, dass es nicht Helmholtz-Kiez, sondern bitteschön LSD-Viertel heißt. Er macht seine Leser auf den Kampf um das Bauprojekt der Grothe-Gruppe am Mauerpark aufmerksam, aber auch auf die Bedeutung der mittelalterlichen Stadtstruktur für das heutige Kiezbild. Er schreibt von „Feeling B“, Wilhelm Piecks Hammer im Soho-Haus und vom „Café Achteck“, das früher Toilette war und heute oft Imbiss ist. Leseprobe gefällig?
„Café Achteck – dieser Name ist Berliner Witz. (…) Äußerst unwitzig empfinden es manche, dass diese Etablissements offenbar immer noch das Bedürfnis erwecken, Unwissenden hämisch die ursprüngliche Nutzung kundzutun, um ihnen die Mahlzeit zu verderben. Wir aber gönnen allen Menschen Genuss und verbreiten über solche Standorte, die wir kennen, den Mantel des Schweigens.“
Moderner Stadtführer statt dröger Historie
Durch solche und ähnliche Anekdoten verbindet Moldt ganz locker Geschichte und Alltag. Sein persönlicher und doch respektvoller Plauderton, seine offene Einschätzung dessen, was sehenswert oder verbesserungswürdig ist oder seine Pizza in Prenzl’Berg-Form hätten es wohl kaum in andere historische Abhandlungen geschafft. Doch genau sie sind es, die dieses Buch auszeichnen. Die „Kleine Prenzlauer Berg Geschichte“ liest man eben nicht wie Geschichte, sondern wie eine Erzählung aus der Stadt. Sie endet mit dem Aufruf, selbst auf Erkundungstour zu gehen. Dieses Buch ist sicher eine der besten Hilfen, die man sich dafür wünschen kann.
„Kleine Prenzlauer Berg Geschichte“ von Dirk Moldt ist im Berlin Story Verlag erschienen und kostet 14,95 Euro.